Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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553 oben.
 

553 oben.  Relief vom Westfriese des Parthenon.

Athen, noch am Parthenon befindHch.
 

Michaelis 9, VI, 11 und 12; p. 230 f. Lüders,
Arch. Zeit. 1872, p. 32 f. Petersen, die Kunst
des Pheidias, p. 287.

Michaelis: „Der Reiter ist die ausgeführteste
Figur des ganzen Frieses. . . . Sein Panzer ist
sehr reich verziert. Das Vorderstück schmückt ein
breites grinsendes Gorgoneion alten Stiles; die
Schulterklappen, welche die beiden Panzerhälften
aneinander befestigen, endigen vorn in Löwen-
köpfe.i) Unter dem Arm ist zwischen den beiden
festen Metallplatten des Panzers ein biegsameres,
schuppenbedecktes Stück eingesetzt. Die Hüften
werden durch die ebenfalls ornamentierten
nrepvyEq geschützt. Darunter wird der Chiton
sichtbar, der auch hinter der Schulter aus dem
Armloch des Panzers hervorquillt. Der Helm
ist mit dem Relief eines Adlers mit vorgebeugtem
Kopfe geschmückt, und auf einen weiteren Metall¬
zierrat weist ein Loch am Schirm, oberhalb des
Auges, hin; von dem Helmbügel herab wallt der
hohe Busch. — Dem Reiter mit dem Rücken
zugewendet steht ein zweiter Jüngling, einen
ähnlichen aber einfacheren Helm auf dem Haupte,
sonst nur mit der weiten und langen Chlamys,
welche wie häufig einen gefältelten Saum hat,
angethan und mit Sohlen, deren eine er soeben
im Begriffe ist mit (unsichtbaren) Riemen an¬
zulegen; er bedient sich dazu eines Felsblockes
als Stütze. Seine Aufmerksamkeit ist aber nicht
hierauf gerichtet, sondern auf die heransprengen¬
den Reiter der nächsten Platte, die er entweder
zu halten oder an ihm vorbeizureiten auffordern
mag."

Lüders: „Das Pferd hat zwei Bronzelöcher
in der Schnauze, zwei auf der Backe, eines oben
an der Mähne. In dem über dem Auge des
Reiters am Helme befindlichen Loche ist noch
Bronze; die Hand des Reiters ist durchbohrt.
Am stehenden Jüngling deuten zwei Löcher über
dem Ohr oberhalb der Stephane auf Metallzierrat."

Petersen macht darauf aufmerksam, dass
keiner der Pferdehufe den Boden berührt, das
Pferd also im Sprunge dargestellt ist (vgl. den
eilenden Festordner 9 1115 = Tafel 522 oben), und
 

Petersen: Pantherköpfe.
 

dass das Motiv des sandalenbindenden Jünglings
sich auf derselben Friesseite, 9 XV 29, wiederholt.
 

Die hier obenstehend nach Zeichnungen Karl
Reichholds abgebildete Gemme meines Besitzes,
die ich von einem türkischen Händler erworben
habe, zeigt das nämliche Motiv des Sandalen-
bindens in etwa gleichzeitiger Ausführung. Es
ist ein, auf der einen Seite abgesplittertes, in
der Oberfläche nicht sehr gut erhaltenes, grosses,
in der Längsrichtung durchbohrtes Scarabaeoi'd
aus bläulichem Chalcedon, das auf beiden Seiten
mit Darstellungen im sog. persisch-griechischen
Stile des 5. Jahrh. (vgl. Furtwängler, antike
Gemmen, III, p. 116 ff.) geschmückt ist. Die
ebene Fläche zeigt in sorgfältiger Arbeit einen
Jüngling im kurzen Panzer, der den rechten
Fuss auf eine viereckige Erhöhung gestemmt
hat und im Begriffe ist, sich die, nicht darge¬
stellte, Sandale oder, nach der Lage der Hände
zu urteilen, eher den hohen Jagdstiefel mit
Riemen (die angegeben sind) zuzuschnüren. Der
obere Teil seines Oberkörpers ist anscheinend von
einem kurzen Mantel verhüllt. Er hat langes Haar;
das Haupt scheint eine spitze Haube, wie sie z. B.
der Jüngling von Pella (Brunn-Bruckmann 232 b)
trägt und wie sie dem thrakischen Costüm be¬
sonders zu eigen war (Furtwängler, 50. Berliner
Winckelmannsprogramm p. 159 f.), bedeckt zu
haben. Dieser rein griechischen Darstellung
steht auf der anderen, gewölbten Seite des Steines,
in geringerer Arbeit ausgeführt, eine Scene
national-persischen Charakters gegenüber: ein
Reiter in anliegender Gewandung, den Kopf
anscheinend von einer Haube verhüllt, sprengt
mit gezückter Lanze gegen einen Hirsch mit mäch¬
tigem Schaufelgeweih an. Der Stein wird der
zweiten Hälftedesfünftenjahrhundertsangehören.
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 553 oben.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.
München 1903.
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