Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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558.
 

558.   Weibliche Gewandstatue.

Dresden, Albertinum.
 

Fig. 1.

Hettner, die Bildwerke der Kgl. Antiken¬
sammlung zu Dresden 4, p. 92, n° 140. Friede-
richs-Wolters 1688. Bei Beiden die ältere Lit¬
teratur. Flasch, bei Baumeister, Denkmäler,
s. V. Olympia, p. 1104 PP, zu Abb. 1299. Amelung,
die Basis des Praxiteles aus Mantinea, p. 30 f.
Sal. Reinach, le type feminin de Lysippe (revue
archeol. 1900, p. 393 ff., pl. XX»)). B. Graef, in
BursiansJahresberichten, CX, p. 121 f. American
Journal of arch. VI, 1902, p. 424. Sybel, Welt¬
geschichte der Kunst ^ p. 275. Collignon, histoire
de la sculpture grecque II, p. 383.

') Das Gesiebt hier durch  ungeschickte Retoucbe
völlig entstellt.
 

Am Anfang des 18. Jahrhunderts in der Nähe
von Portici bei Neapel, auf der Stelle des alten
Herculaneum, ausgegraben, zusammen mit zwei
anderen, jetzt ebenfalls in Dresden befindlichen
Frauenstatuen: einer kopflosen, detaillierter ge¬
arbeiteten Wiederholung des nämlichen Typus
(s. Figur 1 nach einer Photographie, die ich
der Freundlichkeit Paul Herrmanns verdanke.
Reinach, repertoire, 666, 2) und der grossen
Gewandfigur Brunn-Bruckmann Taf. 310. Die
drei Statuen, in der Wissenschaft unter dem
Namen „die Dresdner Herculanenserinnen" an¬
geführt, befanden sich bis 1736 in Wien im Pa¬
laste des Prinzen Eugen von Savoyen, dessen
Erben sie nach Dresden verkauften.

Höhe: 1,80 m einschliesslich der zugehörigen
Plinthe. Weisser, sehr feinkörniger Marmor,
mit eingesprengten Glimmeradern; also wohl
pentelischer. 2) Der Kopf ist aufgesetzt, aber
sicher zugehörig. Ergänzt: die beiden sichtbaren,
aus dem Gewände herausragenden Finger der
1. Hand und das anliegende Gewand bis zu
den Knöcheln; wahrscheinlich auch die Finger
der r, Hand mit dem von ihnen gefassten
Teil des Gewandzipfels und die Zehen des
r. Fusses.

Der Typus dieser Statue, wie derjenige der
mit ihr zusammen gefundenen grösseren Frauen¬
figur, hat sich, nach der Zahl der erhaltenen
Wiederholungen zu schliessen, im Altertum ganz
besonderer Beliebtheit erfreut. Eine flüchtige
Durchsicht des mir zunächst zur Hand liegenden
Materiales, die von Vollständigkeit ganz gewiss
weit entfernt ist, ergab 21 Repliken für die
grössere, 29 für die kleinere Figur. 3) Die Ori¬
ginale beider waren also zweifellos hochberühmte
Werke.

Den Zusammenhang, in welchem in Hercu¬
laneum die drei Figuren, die grössere verhüllte
Frau und die beiden Repliken des kleineren Typus,
gestanden haben, können wir heute nicht mehr
genauer bestimmen. Hatten denn überhaupt
schon ursprünglich die den beiden Typen zu
Grunde liegenden Originalstatuen etwas Näheres

=■) Der gleiche wie an den beiden mitgefundenen
Statuen. Sicher nicht parischer, wie Hettner angiebt (alle
diese thatsächlichen Angaben nach frl. Mitteilung von
Paul Herrmann).

3) Vgl. Sybel, ath. Mitt. d. J. 1883, p. 24 fF.
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 558.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.
München 1903.
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