Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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575-
 

575. Die Basis von Puteoli.

Neapel, Museo nazionale.
 

Winckelmann, Werke, II, p. 469 f. Mon.
ined. II, p. 186 f. Jahn, Ber. d. sächs. Ges. d. W.
1851, p. 119 f. Overbeck, Gesch. d. griech.
Plastik^, II, p. 500 f. Gerber, 13. Suppl. d.
Jahrb. für klass. Phil. p. 258 f. P. Gardner,
Journal of hell. stud. IX, p. 69 f. Baumeister,
Denkm. III, p. 1296. Röscher, Lexikon II,
2094 f.Spinazzola, Atti d. R. Accad. di Napoli XXII,
2, p. 119 f.

Hoch 1,22 m, breit 1,75 m, tief 1,24 m.
Parischer Marmor. Auf der Oberfläche befindet
sich eine Höhlung von 0,56 : 0,40 m mit zwei
0,12 m tiefen Löchern, ausserdem vier weitere
viereckige Löcher, von denen Klammerspuren
ausgehen.

Die im Jahre 1693 in Pozzuoli gefundene
vierseitige, mit 14 Relieffiguren geschmückte
Basis verdankt ihre Entstehung einer Weihung
der Augustalen, der Träger des municipalen
Kaisercultes, an den Tiberius, im Jahre 30 n. Chr.,
und trug vermutlich eine Statue dieses Kaisers.
Die auf der einen Breitseite angebrachte Inschrift
(C. J. L. X, 1624) lautet: „Ti(berio) Caesari,
divi Augusti f(ilio), divi Juli n(epoti), Augusto,
pontif(ici) maximo, co(n)s(uli) IUI, imp(eratori)
VIII, trib(unicia) potestat(e) XXXII Augustales.
Respublica restituit." Aus den letzten beiden
Worten geht hervor, dass das Denkmal einmal
von einer Beschädigung betroffen worden ist,
die durch die Gemeinde von Puteoli wieder gut
gemacht wurde. Spinazzola vermutet, dass eines
der Erdbeben vom Jahre 63 oder 79, durch die
Campanien schwer geschädigt wurde, die Ur¬
sache gewesen ist. Unwahrscheinlich ist seine
Annahme, dass der Zusatz respublica restituit
an die Stelle eines abgemeisselten Ornaments
getreten ist; der durch diese beiden Worte ein¬
genommene Platz wird ursprünglich frei gewesen
sein.

Die Basis ist die freie Nachbildung eines
Denkmals, das zwölf im Jahre 17 n. Chr. durch
ein gewaltiges Erdbeben zerstörte kleinasiatische
Städte, Sardes, Magnesia, Temnos, Philadelphea,
Aegae, ApoUonidea, Mostene, Hyrcania, Hiero-
caesarea, Myrina, Cyme, Tmolus, dem Kaiser
Tiberius aus Dankbarkeit für die bei ihrer
Wiederherstellung gewährte freigebige Unter¬
stützung  auf dem Forum  Julium   in  Rom  er¬
 

richteten.^) Bronzemünzen, die eine Sitzstatue
des Tiberius mit der Umschrift „civitatibus Asiae
restitutis" zeigen(Jahn,a.a.O.,Taf.II,B)geben als
terminus ante quem hierfür das Jahr 20 n. Chr. an.
Das römische Denkmal bestand aus einer Colossal¬
statue des Tiberius, umgeben von den Bildsäulen
der zwölf Städte. Die Basis von Puteoli trägt
nun ausser den Darstellungen dieser zwölf Städte,
die mit Ausnahme von Sardes und Magnesia
aus den Inschriften unter den Figuren kenntlich
sind, oder es bei der ersten Herausgabe des
Denkmals, durch Bulifon 1694, noch waren, die
Personificationen von Cibyra und Ephesos, die
auch Nicephorus CallistusI, 17, als unter Tiberius
durch ein Erdbeben zerstört erwähnt. Für
Cibyra giebt Tacitus, Ann. IV, 13, das Zer¬
störungsjahr 23 n. Chr. an. Für Ephesos steht
dasselbe nicht fest, war vermutlich aber das
Jahr 29 n. Chr. (Jahn, p. 122). Die Statuen
dieser beiden Städte wurden wahrscheinlich dem
römischen Denkmal nachträglich hinzugefügt.
Spinazzola, p. 134, hält es für undenkbar, dass
das Denkmal von Puteoli in dem kurzen Zeit¬
raum zwischen der Zerstörung von Ephesos, 29,
und dem Jahre 30, das die Inschrift angiebt,
hätte fertiggestellt sein können. Er nimmt an,
dasselbe sei ebenfalls bald nach dem Zerstörungs¬
jahr der zwölf Städte begonnen worden und ur¬
sprünglich nur die Darstellung dieser vorgesehen
gewesen. Die beiden durch grössere Maasse
ausgezeichneten Figuren der Inschriftseite seien
eigentlich als kaiserliche Tugenden oder Dar¬
stellungen Kleinasiens und Campaniens gedacht,
hätten sich aber im Laufe der Arbeit durch das
Hinzutreten von Cibyra und Ephesos einer Ver¬
änderung unterziehen müssen. Die Unmöglich¬
keit dieser Annahme liegt auf der Hand, auch
waren ein bis zwei Jahre für die Errichtung des
Denkmals sicher völlig ausreichend.

Auf der einen Breitseite sind, die Inschrift
flankierend, Sardes und Magnesia, die nach Tacitus
am stärksten heimgesuchten Städte, dargestellt.
Ihre Benennung ist, da die Deutung der übrigen
Figuren feststeht, gesichert, obwohl ihre Bei¬
schriften sehr zerstört sind und nur noch Spuren
der beiden  Namen  erkennen  lassen.    Speciell

') Tacitus, Ann. II, 47     Strabo XII, p. 579.    Phlegon,
mirab. 13.
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 575.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.
München 1904.
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