Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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579-
 

579. Relief vom Grabmale eines Lehrers, von Rhodos.

Berlin, bei Freiherrn F. Hiller von Gärtringen.
 

Hermes XXXVII (1902), S. 121 ff. (Hiller
von Gärtringen und Robert), mit Tafel.

Gefunden in oder bei Trianta (in der Nähe
des alten lalysos) auf Rhodos, in Alexandria
für Freiherrn F. Hiller von Gärtringen er¬
worben, in dessen Wohnung in Berlin es sich
jetzt befindet.

Marmor. Länge 1,005, Höhe 0,31, Dicke
durchschnittlich 0,09 m. Die Rückseite zeigt
Löcher für eine Thürangel und ist stark abge¬
treten; augenscheinlich hat der Stein, mit der
Stirnseite nach unten, lange Zeit als Schwelle
gedient. Spuren U-förmiger Klammern auf der
Oberfläche und Bossen an den Seitenflächen,
die in entsprechende Vertiefungen der einst
anschliessenden Blöcke sich einfügten (vgl. die
Abbildungen Lübke's a. a. O. S. 122 f.), beweisen,
im Einklang mit der rücksichtslosen Durch¬
schneidung der Reliefdarstellung, dass die Platte
aus einem grösseren architektonischen Zusammen¬
hang herausgerissen ist und die ursprünglich
benachbarten Steine den Rest der Figuren und
der oberhalb des Reliefs, zu beiden Seiten der
Schrifttafel, angebrachten Ornamente enthielten.
Wie viel links und rechts fehlt, lässt sich un¬
gefähr aus der Composition des Reliefs und
dem Maass der Klammerlöcher, ziemlich bestimmt
aber aus den genannten Ornamenten ermessen,
deren Fortsetzungen, je ein genaues Gegenstück
des Erhaltenen und je ein Mittelstück, vermut¬
lich eine Rosette, in den Anschlussblöcken be¬
quem Platz finden mussten. Danach ist die
Breite des Fehlenden auf zusammen 0,32 m, die
Gesamtlänge des Frieses auf etwa 1,325 m von den
Herausgebern berechnet worden. Sie haben es
ferner höchstwahrscheinlich gemacht, dass dieser
Fries den Sturz einer Tür decorierte, die nach
Art der antiken Marmortür an dem römischen
Palazzo Simonetti^) vor eine Fassade ein wenig
vortrat und bei einer Gesamtbreite von etwa
1,345 m eine lichte Höhe von etwa 1,86m hatte.
Dass es die Thür eines Grabmals war, beweist
der Inhalt der Reliefdarstellung.

Über dem Relief befindet sich in einem pro¬
filierten Rahmen die Inschrift
lEPQNYMOY
TOY ZIMYAINOY TAÖIOY
 

die den Verstorbenen, Hieronymos, des Simy-
linos Sohn, als Tloer bezeichnet; dass damit
ein Rhodier, kein Lykier gemeint ist, hat Hiller
(Hermes, S. 143) dargelegt. In dem vertieften
Streifen unter dem Relief nennt sich der Künstler:
AAMATPIOX EnOIHZE

Der Friesstreifen ist annähernd im ersten
Drittel seiner ursprünglichen Ausdehnung durch
einen nach oben sich etwas verjüngenden, in
8 Quadern geteilten Pfeiler unterbrochen, der
zunächst die linke Scene sehr bestimmt von dem
Übrigen trennt. Es ist eine Schulscene, ähnlich
wie in den Philosophenmosaiken von Torre
Annunziata und Umbra Sarsina^); wir dürfen
daraus schliessen, dass der Verstorbene Lehrer
war, und haben in der Hauptperson dieser Scene
sein Bildnis zu erkennen. Auf einer halbkreis¬
förmig nach dem Beschauer zu sich öff^nenden
Steinbank sitzt schräg nach vorn Hieronymos,
der aus der Schriftrolle vorliest, dicht an seiner
Rechten ein Zuhörer, von dem nur ein kleiner
Teil auf dem Hauptblock Platz gefunden hat, am
rechten Ende der Bank ein zweiter, der, die
Unterarme auf die Oberschenkel gelegt und
einen Stock schräg auf den Boden stützend, in
andächtiges Lauschen versunken scheint. Zu
diesen drei Hauptfiguren, die alle das Himation
tragen, kommt, im gleichen Gewand, ein ruhig
stehender Mann rechts, der dem Andächtigen
die rechte Hand auf die linke Schulter legt und
nach links, wohl auf den Lehrer, blickt, und
eine leichter bekleidete, jugendliche Gestalt jen¬
seits der Bank, die vorgebeugt stehend den
rechten Arm auf die Bank stützt. Man wird
nicht fehl gehen, wenn man am linken Ende
des Reliefs neben der Fortsetzung des Sitzenden
eine dritte stehende Figur annimmt.

Rechts von dem Pfeiler finden wir ein Bild
aus der Unterwelt in zwei allerdings weniger
scharf getrennten Scenen, deren Grenze, fast
genau so weit wie der Pfeiler von der Mitte
der Inschrifttafel entfernt, von der Lücke zwischen
der Flügelfigur und ihrer linken Nachbarin ge¬
bildet wird. Man erkennt neben dem Pfeiler den
mit Fussflügeln, Chlamys, vielleicht auch einem
Petasos in der Linken ausgestatteten Hermes,
die dicht verhüllte Persephone, die das Scepter
 

i) Bull. Com. 1896, Taf. 6. 7.
 

2) Abbildungen Röm. Mitt. 1897, S. 328 ff.
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 579.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.
München 1904.
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