Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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58o.
 

580. Reliefs am Constantinsbogen.

Rom.
 

Lafreri, Speculum Romanae magnificentiae,
Taff^. 28 u. 29. Bellori, Veteres arcus Augustorum,
Taff: 42—44. Rossini, gli archi trionfali, Taf. 73.
Alinari, Phot, 17321 und 17322. Beschreibung der
Stadt Rom III, 1, S. 318. Petersen, vom alten
Rom^ S. 43. Wickhoff^-Strong, roman art, S. VIII
u. 113. Courbaud, le bas-relief romain, S. 146 ff;
Springer-Michaelis, Handbuch'^, S. 415. Stud¬
niczka, tropaeum Traiani, S. 107.

Die auf beiden Seiten im Mittelthor des Con¬
stantinsbogens eingelassenen, aus je zwei Platten
zusammengesetzten Reliefs bilden den Teil eines
grösseren Ganzen, dessen andere, ebenfalls aus
vier Platten bestehende Hälfte am gleichen Bo¬
gen die Attica schmückt. Die Composition ist
vollständig auseinandergerissen, mit der Absicht,
die zweimal wiederkehrende Figur des Kaisers im
Durchgang decorativ zu benutzen. Den ursprüng¬
lichen Zusammenhang giebt die umstehend (Fig. 1)
abgebildete, im Detail vielfach ungenaue Zeich¬
nung bei Rossini wieder. Es war ein colossaler
Fries von circa 20 m Länge, dessen Darstellung
in zwei Scenen zerfällt, die äusserlich kaum von
einander getrennt sind. Die eine links ist von
geringem Umfang. Hier hält der Kaiser, ge¬
führt von der als Amazone gebildeten, mit Schwert
und Lanze ausgerüsteten Roma und bekränzt
von der schwebenden Victoria, die in der Lin¬
ken einen Palmzweig trägt, seinen Einzug in
die Stadt. Seine Rechte ist im Redegestus
erhoben, die Linke hielt ein jetzt verlorenes
Attribut, von dem nur an der linken Schulter
noch eine Ansatzspur erhalten ist. Sein Gefolge
besteht aus Lanzen- und Vexillaträgern sowie
einem Lictor mit Ruthenbündel und Beil. Die
zweite Scene rechts zeigt ein wildes Schlacht¬
getümmel von grosser Ausdehnung. Inmitten
seiner Soldaten erringt der Kaiser einen ent¬
scheidenden Sieg über Barbaren, die in voll¬
ständiger Auflösung begriffen, teils erschlagen
und gefangen sind, teils den Sieger um Gnade
anflehen. Sehr wahrscheinlich ist in den acht
Platten, abgesehen von einer geringfügigen Ver¬
letzung der beiden Seitenenden, die durch Ab-
meisselung der ursprünglichen Einfassung zum
Zweck der neuen Einmauerung verursacht wurde,
das Relief in seinem einstigen Bestände voll¬
ständig erhalten. Links ist im Vordergrund
durch den Baum neben der Roma, im Hinter¬
 

grund durch das Thor, in dessen Tiefe die Fort¬
setzung des kaiserlichen Gefolges sichtbar wird,
ein passender Abschluss gegeben, rechts rahmt
hinter den drei Reitern abermals ein Baum die
nur hier locker werdende Composition ein. Dafür,
dass die Schlachtscene sich nicht weiter fort¬
setzte, spricht der Umstand, dass der Kaiser
jetzt genau den Mittelpunkt derselben bildet.

Die Barbaren sind durch Gesichtstypus und
Tracht deutlich als Daker charakterisiert; die
Darstellung ist daher schon seit ihrer ersten
Veröfffentlichung auf die dakischen Kriege des
Trajan bezogen und zu den Stücken gerechnet
worden, die von einem Bauwerk dieses Kaisers
zum Schmuck des Constantinsbogens herüber¬
genommen sind. In trajanische Zeit weist auch
der Stil der Bildwerke, die den Durchgangs¬
reliefs am Titusbogen (Brunn-Bruckmann 497)
aus der Zeit des Domitian sehr nahe stehen.
Nur ist an die Stelle der hier herrschenden
klaren Gliederung der einzelnen Gruppen ein
stärkeres Ineinanderschieben der Massen getreten,
wodurch eine gewisse Unübersichtlichkeit ent¬
steht; es ist nicht mehr wie am Titusbogen jede
einzelne Figur auf den ersten Blick in ihrem
Motiv kenntlich. Immerhin wirkt die Com¬
position als Ganzes genommen vortreff^lich und
steht in vorteilhaftem Gegensatz sowohl durch
ihre Lebendigkeit zu der Steifheit der im
Detail (so in der Angabe des landschaftlichen
Hintergrundes) vielfach verwandten Reliefs am
Trajansbogen von Benevent, als auch durch die
geschickte Scheidung der verschiedenen Gründe
zu den Scenen der Trajanssäule.

Während auf der Trajanssäule der Verlauf der
beiden dakischen Kriege in einer Reihe von Einzel-
scenen geschildert ist, giebt das Relief des Con¬
stantinsbogens keine bestimmte Begebenheit aus
einem derselben wieder, sondern eine zusammen¬
fassende Darstellung der völligen Unterwerfung
der Feinde, die den feierlichen Empfang des
siegreichen Kaisers in Rom zur Folge hat. Die
hinter dem Feldherrn von den fellgeschmückten
signiferi getragenen Prätorianersigna^) zeigen an,

^) A. V. Domaszewski, die Fahnen im römischen Heere
S. 56 ff. Das eine der beiden Prätorianersigna, das zum Teil
ergänzt ist, zeigt von unten nach oben Quaste, imago,
liegenden Kranz, aufrechten Kranz, Corona muralis, bei dem
andern sind nur die Quaste, der Kranz, die Corona muralis
und der Adler auf dem Querholze mit Bändern sichtbar
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 580.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G-
München 1904.
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