Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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582.
 

582. Fragment eines Grabreliefs.

London, Lansdowne House.
 

Michaelis, ancient marbles in Great Britain
p. 437, no 1. Derselbe in der Arch. Zeit. 1880,
p. 81, Taf. 9 (und Figur auf p. 82). Conze,
attische Grabreliefs, Taf. CXVI, n« 586. Burling¬
ton Fine Arts Club, Exhibition of ancient greek
art, London 1904, pl. V, p. 9, n^ 4 (E. Seilers).
Friederichs-Wolters 1035. C. J. A. II, 4294.
Furtwängler, Sammlung Saburoff, Sculpturen-
Einleitung, p. 12. Collignon, bist, de la sculp¬
ture grecque II, p. 153, fig. 76. — Ich kenne das
Original nicht.

Pentelischer Marmor. Hoch 0,67, breit 0,455.
Relieferhebung des Kopfes vom Grunde 0,155 m.
Auf der Spitze des Giebels war das (verloren
gegangene) Mittelakroter besonders aufgesetzt.
Im Übrigen vorzüglich erhalten. Im linken Ohr¬
läppchen ein Loch für den Ohrschmuck. Im
Haar eine dreifache Binde. Auf dem Architrav
die Inschrift . . . ]o|a8Yo(D)(; %'vya[Tr\p, Die Her¬
kunft des Stückes aus Attika ist durch äußere
Zeugnisse nicht sicher gestellt.

Das Fragment gehört offenbar zur Figur einer
Sitzenden, welcher, wie z. B. auf der Stele der
Hegeso ^), eine Dienerin gegenüber gestanden
haben mag.  Ob die Verschleierung wirklich, wie
 

^) Brunn-Bruckmann, 436.
 

Michaelis annimmt, darauf hinweist, daß die
Dargestellte verheiratet war, bedarf noch ge¬
nauerer Feststellung: auf dem Inschriftblocke
dürfte kaum Platz für die Angabe des Namens
ihres Gatten zu finden sein.

Durch seine Grösse und die Trefflichkeit der
Arbeit tritt das Bruchstück in die erste Reihe
der auf uns gekommenen Grabreliefs. In der
leisen Neigung des Hauptes ist der ganze Aus¬
druck trauernden Versunkenseins gegeben: im
Übrigen entbehren die Züge der Wiedergabe
schmerzlicher Empfindungen. Auch stilistisch
ist der Kopf von Interesse, durch seine auf¬
fallende Verwandtschaft mit dem Kopfe des auf
Polyklet zurückgeführten Diadumenos^): ein Be¬
weis, wie viel Polyklet bei diesem Werke von
attischen Elementen in sich aufgenommen hat, und
wie sich überhaupt in der Zeit, der der Diadu¬
menos angehört, die schärferen Unterschiede
zwischen Attischem und Peloponnesischem
bereits zu verwischen beginnen. — Das Relief
wird im dritten Viertel des fünften Jahrhunderts
entstanden sein. — Vom Kopfe allein sind
stumpfe Abgüsse verbreitet.

^) Furtwängler, Meisterwerke, p. 435 ff. Brunn-Bruck¬
mann, 272 und 340. Vgl. Arndt-Amelung, Einzelaufnahmen,
585 und 86.
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Tafel 582.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.
München 1905.
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