Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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588 und 589.
 

588 und 589.   Bronzereliefs aus Perugia.

München, Glyptothek.
 

Die Serie von Bronzen, zu welcher die auf
Taf. 588/9 wiedergegebenen Stücke gehören, hat in
neuerer Zeit durch E. Petersen eine sorgfältige
Verarbeitung erfahren (Mitth. d. deutschen arch.
Inst., röm. Abt., Bd. 9, 1894, S. 253 ff., dazu
Antike Denkmäler II, Taf. 14, 15). Da die bis¬
herigen Abbildungen eben jener Stücke — auch
die von Petersen gebotenen — sehr ungenügend
sind und namentlich von der Gravierung der
Bronzereliefs nichts erkennen lassen, so geben
wir hier diese in München befindlichen Frag¬
mente in genauer Nachbildung.

Auf die Frage der Reconstruction der er¬
haltenen Reste soll hier nicht eingegangen werden;
sie ist, wie ich glaube, bei dem unvollständigen,
trümmerhaften Zustande des Erhaltenen aus¬
sichtslos. Das Einzige, was mit einiger Wahr¬
scheinlichkeit behauptet werden darf, ist, dass
die Stücke 1 und 2 zu der Brüstung eines vier¬
rädrigen Sitzwagens gehörten und 1 von
der Schmal-, 2 von der Breitseite stammte.
Diese von Brunn herrührende Vermutung be¬
ruht auf dem Relief einer etruskischen Grab¬
urne, das, wie es scheint, den Toten auf einem
Wagen fahrend darstellt, der eine solche ge¬
schwungene Brüstung zeigt (Micali, storia 57, 1).
Auf griechischen Denkmälern ist eine derartige
Wagenform noch nicht beobachtet worden. Der
Wagen des Peruginer Fundes ist jedenfalls in
Italien gearbeitet worden, doch wahrscheinlich
von eingewanderten ionischen Künstlern, wie
der vorhin besprochene Wagen von Monteleone.

Ob die Stücke, die Petersen zu einem auf
dem Wagen zu ergänzenden thronförmigen Auf¬
satz zieht, überhaupt zu diesem Wagen oder
nicht vielmehr, was mir wahrscheinlicher, zu
ganz anderen Geräten gehörten, ist völlig un¬
sicher; jedenfalls weichen sie zum Teil in der
Arbeit stark ab von den Brüstungsstücken.

Der grosse Fund, der 1812 bei Castello
S. Mariano in der Nähe von Perugia gemacht
und leider zerrissen und zerstreut wurde^), ent¬
hielt noch Reste von zahlreichen anderen Metall¬
geräten,  besonders Stücke  getriebener Reliefs,
 

^) Es ist leider gar nichts Näheres über den Fund
bekannt; die besten Stücke kamen in den Kunsthandel
und so später nach München und London, der Rest ver¬
blieb in Perugia; vgl. Vermiglioli, saggio di bronzi et-
ruschi, Perugia 1813, p. VI. XXVIIL
 

von sehr verschiedenem Werte. Das Beste
darunter sind die Fragmente einer grossen Dar¬
stellung des Kampfes von Herakles und Kyknos,
die Petersen glaubt, einem Streitwagen, dessen
Form indess von der des vollständigen New-
Yorker Wagens sehr verschieden gewesen sein
musste, zuschreiben zu dürfen (Röm. Mitth. 1894,
S. 274 ff.). Diese stark fragmentierten Stücke,
in denen der ionische Stil aber besonders rein
auftritt, befinden sich im Museum zu Perugia
und sind ziemlich gut in Zeichnung in den Ant.
Denkm. II, 14 veröffentlicht.

Wir beschränken uns hier auf die dem Sitz¬
wagen zugeschriebenen besten Stücke der Münch¬
ner Glyptothek.

1.   Taf. 588. Furtwängler, Beschreibung der
Glyptothek (1900) n^6S. Länge 0,59. Es fehlt das
linke obere Ende, das unter den Fragmenten in
Perugia erhalten ist. Eine Gorgo, am Boden
hockend, mit jeder Hand einen Löwen (der links
ist grösstenteils ergänzt), an der Gurgel packend.
Sie ist mit gegürtetem, faltenlosem Chiton be¬
kleidet, der durch Gravierung verziert ist (s. deren
besondere Wiedergabe in Zeichnung auf der
Tafel). Über den Gürtel fällt der Chiton zu
beiden Seiten in zwei symmetrischen Bäuschen
herab, eine Anordnung des Gewandes, die speziell
altionischen Denkmälern eigen ist. Hier ist der
Chiton mit Pantherköpfen geschmückt. Um den
Hals hängt eine große Halskette. Zum Typus
der Gorgo vgl. Antike Gemmen III, S. 100f.

Die oberen Ecken der Brüstung sind mit je
einem Seepferd geschmückt (die linke Ecke teil¬
weise in Perugia erhalten); an der Seite unten
ein Kranich im Emporfliegen.

2.    Taf. 589. Beschr. d. Glyptothek n^ 67.
Länge 1,11; zwei Fragmente vom rechten Ende
sind in Perugia. Die Gravierung der wichtigsten
Figuren ist auf der Tafel in Zeichnung wieder¬
gegeben.

Der von der geschwungenen Brüstungslinie
eingerahmte Raum war schwer mit figürlichem
Bildwerk zu schmücken. Der Künstler hat die
Aufgabe in der naivsten Weise gelöst, indem er
die Figuren je nach dem verfügbaren Platze in
verschiedener Grösse bildete und indem er für
die niedrigste Stelle schwimmende Wasserwesen
wählte. Hier sehen wir ein Seepferd nach links
und einen Seegreis nach rechts hin schwimmen.
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 588 und 589.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.
München 1905.
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