Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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590.
 

590. Relieffragment mit Barbarenkampf.

La Granja bei Segovia.
 

Das auf Tafel 590 abgebildete Relief, welches
von Paul Arndt wieder aufgefunden worden ist,
giebt zu einigen Bemerkungen Anlass, welche
ich auf sein Ersuchen hier mittheile, die Ver¬
antwortlichkeit für die nur am Originale control-
lierbaren Angaben selbstverständlich ihm selbst
überlassend.

Das Relief (0,72 breit, 0,33 hoch) ist aus
weissem, feinkörnigen, anscheinend griechischen
Marmor und befindet sich jetzt im könig¬
lichen Schlosse La Granja (San Ildefonso) bei
Segovia, im Zimmer n° 22 („torre moche") als
unterer Streifen eines finsteren Kamines ein¬
gelassen^). Die Umrahmung ist natürlich neu.
Links oben und unten ist das Relief offenbar
zu Ende, seine Ausdehnung nach rechts unbe¬
stimmbar, weil das ganze rechte Ende modern
ist. Farbspuren sind keine sichtbar; das Ganze
ist von feinem antiken Sinter bedeckt. Es ist
ein Kampf zwischen gerüsteten Kriegern und
Galliern in folgenden drei Gruppen von links
nach rechts dargestellt.

Ein gepanzerter, barfüssiger Krieger (sein
Kopf und r. Arm mit dem grösseren Teil der
Schwertklinge und der 1. oberen Ecke des Relief¬
grundes sind neu) hält mit dem in der Linken
geführten Scutum einen vor ihm hingeknieten
Mann nieder und bedroht ihn mit einem dolch¬
artigen Schwerte, an dem nur die Spitze antik
ist. Er hat über dem kurzen Chiton einen genau
nach den Körperformen modellierten Metall¬
panzer, an dessen unterem Rande eine Reihe
kurzer und eine Reihe langer Lederstreifen
mit Fransen angebracht sind. Die Schulter¬
klappen sind verhältnissmässig dünn und schmal;
um die Taille ist eine vorn kunstvoll zuge¬
knotete Schärpe geschlungen; auf der Brust
ein flügel- und schlangenloses Gorgoneion mit
kurzem Haar und breitem Mund. Das Scutum, an
dem die 1. obere Ecke und fast die ganze 1. untere
Hälfte ergänzt sind, ist offenbar gewölbt mit
schmalem, flachen Rande und einem plastischen
Embleme. Der Schildbuckel ist allerdings nicht
mehr erkennbar, wohl aber die radial von dem¬
selben  auslaufenden Blitze;   in  der Querachse
 

^) Bei der schlechten Beleuchtung desselben ist es
ein Glück, dass die Aufnahmen so gut gelungen sind.
Natürlich machen sie eine genaue Beschreibung des Bildes
nicht überflüssig.
 

ein Flügel, diagonal zwei gebrochene und ein
gerader Blitzstrahl mit Pfeilspitze; in der Lang¬
achse ein gedrehter Keil, dann wieder ein gerader
und ein gebrochener Strahl u. s. w. Der Unter¬
liegende (neu: Kopf, 1. Oberschenkel mit Geni¬
talien, r. Fuss mit der 1. unteren Ecke des Relief¬
grundes) ist durch gänzliche Nacktheit und einen
schmalen Gürtel um die Nabelgegend als Gallier
gekennzeichnet. Er streckt die Rechte seinem
Gegner flehend entgegen, als wenn er den bevor¬
stehenden Stoss abzuwenden versuchte; seine
Linke fällt mit dem sechseckigen Langschilde
(nur die Mitte der r. Hälfte antik) kraftlos
herunter; an dem letzteren ein runder Buckel
mit abgestossenem Umbo und Strahlenkranz
zwischen Doppelvoluten und kleinen Rosetten.

Das Hauptinteresse des Bildes concentriert
sich in der Gruppe der drei in der Mitte käm¬
pfenden Reiter. Der von links mit einer (im
Marmor nicht dargestellten) Lanze Angreifende
hat ganz identischen Panzer, wie der zu Fuss
kämpfende Hoplit; nur sind hier auch die
Pteryges am r. Arme antik und das Gorgoneion
mit gewelltem Haar deutlicher. Sein Kopf ist
bis auf die antike Wangenklappe und das antike
Hintertheil des Helmes mit abstehendem Nacken-
schutze ergänzt. Am 1. Fuss ist ein Riemenschuh
erkennbar. An dem 1. Arme hält er einen
schmal und flach umrandeten Ovalschild, die
geflochtenen Zügel hat er kurz angezogen. Sein
hinwegspringendes Reitpferd hat wirre Mähne,
kleinen, edlen Kopf und ist mit einem Pantherfell
gesattelt, dessen Rachen auf der Brust des Pferdes,
dessen Tatze vor dem r. Knie des Reiters zum
Vorschein kommen. Das r. Vorderbein des
Pferdes ist von der Mitte des Oberschenkels
bis auf den Huf ergänzt.

Der Reiter sprengt über den Leichnam eines
nackten, unbärtigen Galliers hinweg, der als
solcher durch das wirre Lockenhaar und den
Halstorques (nur der Ansatz antik) gekennzeichnet
ist. Sein r. Arm stützt sich ohnmächtig auf den
Boden. In dem halbgeöffneten Mund und den
schlaffen Gesichtszügen drückt sich die Todes¬
starre aus. Sein Kopf ist an den Hals des
gestürzten Pferdes gelehnt, dessen Mähne sich
wie bei dem palatinischen Perserkopf mit dem
Haupthaar des Galliers vermengt. Ein Theil
seines   mit  Schnurornament   und  Rosette   ge¬
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 590.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G.
München 1905.
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