Brunn, Enrico, Denkmäler griechischer und römischer Sculptur

(München :  F. Bruckmann,  1888-1947.)

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599-
 

599. Dreiseitige Basis vom Forum Romanum.

Rom, Lateran.
 

Die ältere Litteratur aufgezählt von Benndorf
und Schoene, Die antiken Bildwerke des Latera-
nensischen Museums n*' 323. Lediglich nach Ab¬
bildung und Photographie musste ich das Monu¬
ment behandeln in: Neuattische Reliefs, S. 25.
Neue Untersuchungen am Original bietet da¬
gegen Reisch, Griechische Weihgeschenke, S. 92.
Erwähnt unter Beigabe einer Umrißzeichnung
von Sal. Reinach in Revue des Etudes Grec¬
ques 1900, S.U. Ausführlich besprochen, mit
Publication der Seite AB in Zinkdruck, durch
Rizzo im Bullettino Comunale 1901, S. 219.
Ferner Heibig im Führer^ I n° 690; Amelung
im Modernen Cicerone, Rom I, S. 348.

Wenden wir den Blick von den soeben be¬
handelten Platten auf die drei Dreifigurenreliefs
der vorliegenden Tafel, so meinen wir, wir
schauten uns im selben Atelier um. Auch hier
je drei Gestalten in einem Rahmen, auch hier
Mädchen in derselben Tracht mit dem langen
Himation, man möchte sagen, Schwestern der
Hören und Aglauriden. Bei näherer Betrachtung
stellen sich freilich auch Unterschiede heraus,
nicht blos in der Bedeutung, mehr noch in der
künstlerischen Ausführung.

Der 0,77 m hohe Block aus pentelischem Mar¬
mor in Gestalt einer abgestumpften dreiseitigen
Pyramide mit eingeschweiften Seiten, aufweichen
die Reliefs sitzen, zierte einst eine vornehme
Stätte. Canina weiß im Jahre 1846 zu berichten,
daß die Basis bei den letzten Ausgrabungen auf
dem Forum zwischen dem Saturntempel und der
Säule des Phokas gefunden worden sei. Von
dem so umschriebenen Raum, dessen Grundriß
jetzt klar vor uns liegt, wird sofort als Stand¬
ort ausgeschlossen die Strecke des Clivus Capito-
linus und der Sacra Via, der Platz des Tiberius-
bogens und der ScholaXantha; auszuscheiden ist
der Raum vor der Rednerbühne, der für das
Publicum freigehalten werden muß. Aber auch
das Plätzchen zwischen der Südseite der Rostra
und Sacra Via, an das man zunächst denken
würde, fällt weg, weil es bei den „letzten Aus¬
grabungen", deren Stand durch den Plan von
Angelini und Fea vom Jahr 1837 (gerade das
entscheidende Stückchen reproduciert in Hülsens
Forumsbericht 1902 — 1904, S. 25; Roem. Mitt.
1905) fixiert wird, überhaupt noch nicht frei¬
gelegt war.    Es bleibt somit als einstiger Auf¬
 

stellungsort, wenn man nicht mit einer Ver¬
schleppung rechnen will, die bei einem Block
dieser Dimensionen nicht gerade wahrscheinlich
ist, nur der proraförmige Vorsprung der Frei¬
treppe vor dem Saturntempel, und auf diesem
der Winkel, den die Treppe mit dem Podest
bildet, oder das dreieckige Stückchen, mit wel¬
chem der ganze Vorbau in den Clivus ein¬
schneidet; und gerade dieser Ort scheint zur
Aufstellung eines dreiseitigen Monuments wie
geschaffen.

Dazu paßt nun auch vortrefflich die ur¬
sprüngliche Bestimmung der Basis, welche erst
Reisch erkannt hat. Ihr Grundriß mit den ein¬
geschweiften Seiten und ihre Dimensionen über¬
haupt entsprechen den Basen von Dreifüßen,
welche im vierten Jahrhundert die Choregen
siegreicher Phylenchöre in Athen aufstellten.
Darum ist anzunehmen, dass diese Basis, an
welcher der Charakter der Marmorarbeit gerade
ins vierte Jahrhundert weist, einst in Athen für
ein solches Siegesdenkmal diente und wohl erst
in der Kaiserzeit nach Rom zum Schmuck des
Forums übertragen wurde.

Wenn nicht alles täuscht, so wurde bei der
Neuaufstellung der einst auf der Basis befind¬
liche Bronzedreifuß, der vielleicht längst vor¬
her schon in den Schmelzofen gewandert war,
durch einen Marmordreifuß ersetzt. In den
Gängen des Tabularium, wo die älteren Funde
vom Forum aufgestapelt liegen, fand ich die
Reste eines Marmordreifußes, dessen Format
so genau zu unserer Basis stimmt, daß es bei
der gemeinsamen Provenienz beider Stücke
merkwürdiger wäre, wenn sie nicht zusammen¬
gehörten, als wenn sie thatsächlich Bestandteile
eines zwar nicht ursprünglichen, so doch einstigen
Ganzen bildeten. Meine Messungen an der Basis
ergaben: Länge des Bildfelds unten 1,20 m; dazu
käme die Breite des Rahmens, welche wir dem
oberhalb des Satyrs erhaltenen Stück entspre¬
chend voraussetzen dürfen, also 2X0,06 m, damit
ergäbe sich als volle untere Seitenbreite 1,32 m.
Aus der Böschung der Seitenflächen läßt sich die
obere Seitenlänge auf 1,20 m berechnen. Darnach
würde die Höhe des Dreiecks der horizontalen,
sehr sorgfältig gekrönelten Anschlußfläche 1,04 m
messen. Die entsprechende, am Dreifußfragment
genau meßbare Dimension beträgt 1,08 m; dieses
 

Denkmäler griech. u. röm. Sculptur
Taf. 599.
 

Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G
München 1906.
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