Plattenbauten bringen Unternehmen Probleme[1]
Wohnungskonzerne haben acht Milliarden Euro Schulden —
Degewo hofft auf Hilfe vom Senat

von Ulrich Paul

Berlins Wohnungsbaugesellschaften stecken in der Krise. Nicht nur die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) drücken Schulden in Milliardenhöhe und die Angst vor der Insolvenz. Insgesamt haben die sechs landeseigenen Wohnungskonzerne Schulden von acht Milliarden Euro angehäuft. Allein im Jahr 2003 erwirtschafteten sie unterm Strich ein Minus von 35 Millionen Euro. Zwar steht die WBM mit einem Jahresverlust von 56 Millionen Euro am schlechtesten da, doch auch die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land und die Degewo gehören zu den Minusmachern. Bei der Stadt und Land wurden im vergangenen Jahr 24,3 Millionen Euro Verlust verbucht, bei der Degewo 7,1 Millionen Euro.

Während die WBM über missglückte Gewerbeprojekte wie den Bau der Rathaushauspassagen und die Sanierung des Hauses des Lehrers in finanzielle Schwierigkeiten geriet, leiden Degewo und Stadt und Land an der Übernahme der Plattenbauquartiere in Marzahn und Hellersdorf. Denn gerade dort ist die Abwanderung der Mieter besonders groß und der Leerstand der Wohnungen hoch. Die Degewo hatte im Jahr 2002 die kränkelnde Wohnungsbaugesellschaft (WBG) Marzahn übernommen, die Stadt und Land zuvor die Wohnungsbaugesellschaft Hellersdorf. Eigentlich wollte der Senat bei der Aktion gesunde Unternehmen mit schwachen Unternehmen zusammenbringen, um dadurch starke Gesellschaften zu formen. Kritiker hatten jedoch schon damals gewarnt, dass es auch anders kommen könnte: dass am Ende ein krankes Unternehmen ein gesundes Unternehmen ansteckt und schließlich beide in Not geraten. Genau diese Befürchtungen scheinen sich jetzt zu bestätigen. Denn die Degewo weist in ihrem jüngsten Geschäftsbericht darauf hin, dass sie ab dem Jahr 2008 wegen der Belastungen aus der Übernahme der WBG Marzahn 130 Millionen Euro aus der Landeskasse benötigt, um das Unternehmen zu sichern.

Während die Degewo für die WBG Marzahn lediglich den symbolischen Preis von einem

Euro bezahlen musste, ließ sich das Land Berlin die Übernahme der Hellersdorfer Gesellschaft teuer bezahlen: mit umgerechnet 140 Millionen Euro. Hier liegt ein weiteres Problem der Gesellschaften: Beim Neuzuschnitt der sechs Konzerne, die aus vielen kleineren Gesellschaften entstanden, wollte der Senat bei der Übernahme der einen Gesellschaft durch eine andere ordentlich verdienen. Bei den so genannten In-Sich-Geschäften kassierte der Finanzsenator Hunderte von Millionen, die anschließend in den Unternehmen fehlten. Glimpflich davon gekommen ist nur eine Gesellschaft: die Gesobau, die hauptsächlich Wohnungen im Norden Berlins besitzt. Sie konnte verhindern, dass ihr die WBG Marzahn zugeschlagen wurde und sie engagierte sich auch nicht in riskanten Projektentwicklungen wie die WBM. Mit Schulden von 688 Millionen Euro ist die Gesobau das einzige Wohnungsunternehmen, das weniger als eine Milliarde Euro Verbindlichkeiten hat. Gleichzeitig erwirtschaftete die Gesobau im vergangenen Jahr einen Gewinn von sechs Millionen Euro. Da verwundert es nicht, dass die Gesobau immer wieder genannt wird, wenn es darum geht, welche landeseigene Gesellschaft denn noch verkauft werden könnte. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat in der Vergangenheit keinen Hehl daraus gemacht, dass er am liebsten alle landeseigenen Gesellschaften verkaufen würde. Jetzt ist er etwas vorsichtiger geworden. Sein Sprecher Matthias Kolbeck sagt nur, es seien "weniger Unternehmen erforderlich als wir heute haben". Wie viele das seiner Meinung nach sind, behält er für sich. Bis 2006 wird es jedoch keinen Verkauf einer Gesellschaft geben. Darauf hat sich die rot-rote Koalition verständigt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hält wenig von den Verkaufsplänen. Staatssekretärin Hella Dunger-Löper sagt, das Land Berlin benötige einen Anteil von 15 Prozent unter den 1,8 Millionen Wohnungen in Berlin, um nicht-finanzkräftige Mieter mit Wohnraum versorgen zu können. Auf Dauer sollten 260 000 bis 270 000 Wohnungen bei den landeseigenen Gesellschaften verbleiben. Zurzeit sind es noch rund 277 000.

Tabelle mit Details:  Hoher Wohnungsleerstand, hohe Schulden



[1] Ulrich Paul, "Plattenbauten bringen Unternehmen Probleme", in Berliner Zeitung, Nr. 212, 10./11.11.2005, S. 24 und http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2005/0910/lokales/0025/index.html.