Homuth, Paul, Das Abklingen der Farben

(Leipzig :  W. Engelmann,  1912.)

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I.   Längerdauernde Reize: Das »Abklingen der Farben«, Versuche usw.    207

Verhältnis in einem beim Purpurviolett beobachteten Falle hervor.
Dort entpuppten sich gleichsam grünliche, in der Mitte des blauen
Kerns erscheinende Streifen im nächsten Augenblicke, nachdem das
Blau an dieser Stelle verschwunden war, als ein deutlicher gelber
Fleck.

Die rötlichvioletten und gelben Phasen des Abklingens konnten
bei roter und purpurvioletter Reizfarbe ebenfalls festgestellt werden.
Jedoch sind sie hier weniger gut als sonst entwickelt.

Im Folgenden werde ich die im Sekundärstadium prävalierenden
drei Farben stets als die drei Hauptfarben des Abklingens
bezeichnen. Diese »Hauptfarben« sind demnach Blau, ein Purpur¬
ton und Gelb. Die Berechtigung dieser Bezeichnung wird weiterhin
gestützt durch die Tatsache, daß auch die im Primärstadium auf¬
tretenden Verfärbungen deutlich die Richtung nach den drei genann¬
ten Farben einschlagen.

Diese drei Farben aus den übrigen herauszuheben und durch den
Begriff »Hauptfarbe« auszuzeichnen, würde nicht angängig sein,
wenn zwischen ihnen regelmäßig Übergänge vorhanden wären. So
erscheint aber der Befund in den seltensten Fällen. Meist geht die
eine Hauptfarbe unstetig und ohne Übergang in die nächste über.
Sind aber mehrere Hauptfarben zugleich vorhanden, so »verschmelzen«
diese in der Mehrzahl der Fälle nicht nnteinander; sondern fast immer
macht ein solches gleichzeitiges Vorhandensein den Eindruck des
Wettstreites, des Kampfes um den Vorrang in der Empfindung.
An diesem Wettstreit können nicht nur zwei, sondern sogar alle drei
Hauptfarben teilnehmen, wie in Hg beim Gelb (Figur Ilß): hier gibt
das zuerst auftretende Blau das Feld bis zum Schluß nicht frei; oder
noch weitergehender bei dem »Sonnenversuche«, in dem z. B. das erste
lichtblaue Bildchen sich aus dem schwärzlichen Fleck der fünften
Phase noch bis zuletzt wieder hervordrängt. Die gerade im
Übergewicht befindliche Hauptfarbe kann dabei von der in der
vorhergehenden Phase vorherrschenden aus dem Kern vollständig
wieder verdrängt werden.

Eine besonders eigenartige Form nimmt dieser Wettstreit in jenen
bei allen Reizen festgestellten eigentümlichen Verschleierimgen an,
bei denen oft die verschleierte Farbe durch den Schleier hindurch
wie durch eine durchscheinende Decke sichtbar bleibt. Dabei sieht
man oft direkt, wie die neue Farbe über die vorhandene gleichsam
»hinüberfließt«, oder in anderen Fällen wieder, wie der Schleier von
dem Grunde weggezogen wird. Oft ist es bei diesen Verschleierungen
nicht leicht zu beurteilen, ob man es mit zwei gesonderten Farben
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