Haeckel, Ernst, Prinzipien der generellen Morphologie der Organismen

(Berlin :  G. Reimer,  1906.)

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xvn,             VIII.   Allgemeine Charakteristik der Zeugungskreise.              225

Fischen. Unter den Mollusken besitzen sie fast nur die Cephalopoden,
welche sich auch in anderen Entwickelungsverhältnissen wesentlich von
den übrigen Mollusken unterscheiden. Unter den Articulaten ist die
epimorphe Hypogenese im ganzen selten, ebenso unter allen übrigen
Wirbellosen. Obgleich man diesen Entwickelungsmodus gewöhnhch
für einen sehr einfachen zu halten pflegt, ist er doch, entsprechend
schon der hohen Organisationsstufe, welche die betreffenden Tiere
erreichen, umgekehrt für einen der kompliziertesten zu erachten, und
vom phylogenetischen Standpunkte aus für eine Art der Ontogenese,
welche erst durch lange dauernde „Abkürzung der Entwickelung"
entstanden ist.

Im Pflanzenreiche finden wir die epimorphe Hypogenese ebenso
wie im Tierreiche als die fast ausschließliche Entwickelungsform aller
höheren und größeren Organismen wieder (mit Ausnahme der höheren
Kryptogamen). Wir finden dieselbe vor bei den höheren Algen (Fu¬
caceen), ferner fast allgemein bei den Phanerogamen; nur diejenigen
ausgenommen, welche durch frei sich ablösende Brutknospen (Bulbi
und Bulbilli) auf monogenem Wege neue Bionten erzengen (echte
Metagenesis). Warum wir den Zeugungskreis der Phanerogamen
nicht als echte Metagenesis anerkennen können, werden wir sogleich
bei Betrachtung der Strophogenese näher begründen. Die ganze
Formenfolge vom Ei bis zum Ei bildet hier eine einzige geschlossene
Entwickelungskette und erscheint als ununterbrochene Differenzierungs¬
reihe von sukzessiven Formzuständen eines einzigen Bion, ganz
wie bei den höheren Tieren. Es könnte demnach nur die Frage
entstehen, ob wir die Ontogenese der Phanerogamen als metamorphe
oder als epimorphe auffassen sollen, d. h. ob mit ihrer postembryonalen
Entwickelung eine Metamorphose verbunden ist oder nicht. Daß die
sogenannte „Metamorphose der Pfianzen", und der Phanerogamen
insbesondere, wesentlich eine Differenzierungserscheinung ist, und
keine Verwandlung in dem Sinne, in welchem der Begriff der Me¬
tamorphose von den Zoologen fast aUgemein und täglich gebraucht
wird, haben wir bereits oben gezeigt. Es könnte sich also nur fragen,
. ob sich außerdem noch bei den hypogenen Pflanzen eine echte Meta¬
morphose in dem vorher festgesteUten Sinne findet, d. h. eine postem¬
bryonale Entwickelung mit Verlust provisorischer Teile. Als solche
„provisorische Teile" könnte man bei den Phanerogamen die Coty¬
ledonen oder Keimblätter auffassen; und wenn man diese Auffassung
gelten läßt, so würde die Hypogenesis der Phanerogamen nicht als

Haeckel,  Prinz, d. Morphol.                                                                                  15
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