Alle wollen die Mauer:
Sony stellt Original-Teile am Potsdamer Platz aus -
doch ein Berliner sagt, er sei der Besitzer

von Thorkit Treichel und Jeanina Brützam[1]

Berliner Mauer — Potsdamer Platz 1972

Berliner Mauer-Teile —
Potsdamer Platz 2005

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Seit Juli 2005 stehen auf dem Potsdamer Platz wieder sechs Original-Mauerteile. Die Überreste sind ein Geschenk von Sony an das Land Berlin und wurden am Vormittag des 20. Juli von Serge Foucher, dem Vize-Präsidenten von Sony Europe, an Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) vor dem Eingang der S-Bahn übergeben. Sie sollen auf dem Potsdamer Platz Gelände als Ausstellung "Berliner Mauer - Orte des Gedenkens" zu sehen sein. Allerdings gegen den Willen einiger Anwesender, die rote Plakate hoch hielten. "Mauer Klauer Sony" war darauf zu lesen wie auch "Alles nur geklaut". Denn bislang wird vor Gericht gestritten, ob der Firma Sony die Mauerreste gehören.

Jahrelanger Rechtsstreit

Der Kaufmann und selbst ernannte Mauerschützer Erich Stanke beansprucht die Mauer für sich. Er will diese sechs Segmente und 111 weitere 1990 von einem Offizier der Grenztruppen übernommen haben. "Im Gegenzug habe ich mich verpflichtet, die 23 Grenzsoldaten, die dort stationiert waren, über einen Zeitraum von anderthalb Jahren weiter zu beschäftigen", sagte er, "und deswegen bin ich der rechtmäßige Besitzer".

Doch als der Unterhaltungskonzern 1994 das Grundstück am ehemaligen Grenzstreifen kaufte, befanden sich dort auch 35 Mauerteile. Daher sieht sich die Firma Sony als alleinige Eigentümerin. Und auch Senatorin Junge-Reyer sagte gestern, sie gehe davon aus, dass die Überreste Sony gehören. Zwar erging 1998 ein Urteil des Landgerichts, das Stanke bescheinigte, glaubhaft gemacht zu haben, dass er die Mauerteile erworben hat. Doch fraglich ist, ob der DDR-Offizier überhaupt an Stanke verkaufen durfte.

In einem Punkt sind sich die Kontrahenten jedoch einig: Einzelne Mauerelemente können keine Vorstellung davon vermitteln, was es bedeutete, in einer geteilten Stadt zu leben. Deswegen sollen die ausgestellten Mauerteile in vier Wochen wieder in das Lager am Gleisdreieck in Kreuzberg verschwinden, in dem sie in den vergangenen elf Jahren aufbewahrt wurden. Und wenn es dann irgendwann ein Gesamtkonzept für das Gedenken an die Mauer geben sollte, sollen alle restlichen Mauerteile wieder aus der Versenkung geholt werden.

Denkbar sei aber auch, sagte Junge-Reyer, dass einige Segmente in der Zwischenzeit an Partnerstädte wie Tokio oder Seoul ausgeliehen werden. Vize-Präsident Foucher betonte, die Mauer solle auf keinen Fall zu kommerziellen Zwecken missbraucht werden. Ein Vertreter der japanischen Botschaft sagte, die Mauer sei auch für Ausländer von großem Interesse.

Aber für Touristen ist die Ausstellung am Potsdamer Platz nur bedingt von Nutzen, da die erläuternden Texte lediglich in Deutsch gehalten sind. "Es wäre erfreulich gewesen, wenn die Ausstellung mit englischen Texten internationalen Gästen zugänglich gemacht worden wäre", sagte Natascha Kompatzki, die Sprecherin der Berlin Tourismus Marketing GmbH.

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[1] Thorkit Treichel und Jeanina Brützam, "Alle wollen die Mauer: Sony stellt Original-Teile am Potsdamer Platz aus - doch ein Berliner sagt, er sei der Besitzer", in Berliner Zeitung, 21. Juli 2005; online: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/467586.html. Dem originellen Text wurden Links und Bilder von RAKorb hinzugefügt.