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July 8, 1924

OJ 5/24 : 7-8-24

Handwritten draft letter, in Jeanette Schenker’s hand, from Schenker to Lamberg, dated July 8, 1924

An Dr. Lamberg – Galtür, den 8. Juli 1924.|1

Ihr geschätztes Schreiben vom 1. VII.2 hat mich in Galtür erreicht, wo aber die Post weniger flüßig ist als in Wien.

Ich nehme in dieser Frage einen andern Standpunkt ein. Nicht ein einziges Mal seit den Tagen, da sie erörtert wurde, also seit Fritz Mendls,3 Dr. Türkels,4 Dr. Friedmans5 Tagen u. auch nicht von Ihnen u. dem Hofrat6 hörte ich je den Gedanken einer Beschränkung in der Ausübung der von mir zu übernehmenden Pflicht. Und das allein trifft den Sinn der Erblasserin, den sie im Testament ausgesprochen hat, längst aber auch schon mündlich oft u. oft auszudrücken pflegte. Im Gefühl, daß sie ein beträchtliches Stipendium hinterläßt – daß es so völlig anders kommen sollte, ahnte sie nicht, sonst hätte sie das Testament anders abgefaßt – dachte sie durchaus nicht an ein sozusagen locales Stipendium, gebunden an eine Akademie7 oder sonst welche Schule, sondern an Künstler in der ganzen Welt, denen aus irgend einem Grunde beizuspringen wäre, mögen sie auch schon Namen u. Ehre tragen. (Z.B. wurden die zwei Millionen Kronen, die ich zum Geschenk darbot, von der Berliner Centrale8 dem {2} Sinfoniker H. Wunsch9 in Berlin übergeben, für den sich Hausegger10 so sehr einsetzt. Von vielen Seiten werde ich auf den alten Arnold Mendelssohn11 aufmerksam gemacht usw. ) An ähnliche Fälle dachte Frau Deutsch, im Vertrauen auf das beträchtliche Geld u. meine Gerechtigkeit u. Verantwortlichkeit.)

So wenig lag ihr die übliche Art des Stipendiums im Sinn, daß sie doch ausdrücklich im Testament erklärte, das Stipendiumgeld habe nach meinen Ableben dem Verein|12 anheim zu fallen!

Haben zwar die Dinge nun einmal einen anderen Verlauf genommen, hat sich der Verein aufgelöst, so sehe ich noch immer den Grund nicht ein, weshalb der Erblasserin auch der letzte Rest von Pietät verringert [verweigert?] werden müßte vom Verein, von Ihnen, der Akademie u. mir. Ich meine: Der Akademie müßte es willkommen sein, die gebotene Pietät mit etwas Geduld zu vereinen, sie kommt zu dem Stipendium ja nicht gerade über Wunsch der Erblasserin, doch nur durch Zufall u. sollte diesen durch Dank ehren. Wenn es auch so ist, daß mein Werk – wir sind unter uns – alle Akademien der Welt überleben wird, so wird doch körperlich die Akademie mich über- {3} leben, u. so findet sie wahrlich noch Zeit, Zeit, Zeit genug, des Stipendiums nach ihrem Ermessen zu walten. Aber so lange ich lebe sollte sie es sich zu einer Ehrensache machen, den Wunsch der Erblasserin zu erfüllen, umso mehr, als sie gesonnen ist, das Stipendium mit ihrem Namen zu schmücken. Demnach bitte ich Sie, Herrn Dr. Marx (den ich persönlich nicht kenne) dies alles mitzuteilen u. bei ihm den Wunsch der Erblasserin durchzusetzen, was Ihnen gewiß nicht schwer fallen kann. Ich habe gegen Dr. Marx gewiß nichts, auch nicht gegen die Akademie, aber der Fall liegt zunächst anders. Die Akademie hat Zeit.

In diesem Sinne bitte ich Sie auch die Akademie zu beauftragen, daß sie mir die Zinsen rechtzeitig zur Verfügung stellt, damit ich das Kleingeld geheim dorthin lenken kann, wo ein bereits erworbenes Verdienst irgendwie schwer gekränkt wird.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

[ unsigned ]

© In the public domain.
© Transcription Ian Bent, 2006.

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