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Monthly Musical Record 1934

Review of Jonas, Das Wesen des musikalischen Kunstwerks (Vienna: Saturn-Verlag, 1934):

Monthly Musical Record, December 1934, translated anonymously into German, and enclosed in typescript with OJ 12/6, [40], December 19, 19341

Es ist immer störend, wenn der Titel eines Buches etwas anderes zu versprechen scheint, als was sein Inhalt bringt. Hier ist es der Untertitel (der nicht auf dem Umschlag zu finden ist): Eine Einführung zur Lehre Heinrich Schenkers, der wirklich beschreibt, wovon das Buch handelt. Einführungen (d.h. abgekürzte und vereinfachte Ausführungen) von neuen oder schweren Theorien, sind immer willkommen. Viele von uns werden es sich gewünscht haben, daß etwas in dieser Art für Kurth's 3 große Werke und hauptsächlich für seine "Musikpsychologie" geschehen wäre. Und da Dr. Jonas wirklich erklärt wie die wahre Natur der Meisterwerke in der Musik nach Schenker ist, wie ich annehme, wäre es ungerecht über seinen gewählten Titel zu nörgeln – selbst wenn dieser Titel uns dazu verleitet einen Sommer zu erwarten und nicht bloß eine Schwalbe.

Heinrich Schenker (geb. 1868) ist nach der neuesten Ausgabe von Riemann's Lexikon, der Führer einer Schule, (unter deren Mitglieder wir Hermann Roth, Hans Weiße und John P. Dunn finden) welche glaubt, daß "die klassische Musik das reine Phänomenon der Musik ist" und welche versucht eine vollkommene Theorie der "Urlinie" (wesentliche und universelle Töne) der Musik, des reinen musikalischen "Kerns" (Substanz und keimende Kraft) aus den klassischen Meisterwerken zu folgern.

Der daraus folgernde Begriff, daß die Grundgesetze der Musik unveränderlich und ewig sing, ist kein neuer. Alles hängt von seiner praktischen Ausdeutung ab, wenn die Frage der Anwendung bei Werken, die eine neue Linie beginnen, auftritt. Und da Schenkers Darstellung in keiner Weise leicht zu folgen ist, so ist es selbstverständlich nützlich, sie in gedrängter Form zu haben. Seine Lehre, so wird uns auf dem Umschlag gesagt, hat einen wachsenden Einfluß auf leitende musikalische Kreise. Trotzdem ist es unachtsamer Weise zugelassen, daß seine Harmonielehre (1906) noch immer vergriffen ist. Seine Kontrapunktbände sind von Dunn ins Englische übersetzt.2

Das führende Prinzip der ganzen Theorie besteht darin, daß der gewöhnliche Accord, öfter noch eine Reihe von einzelnen besonderen Tönen das Modell ist, welches die Natur der Musik gegeben hat. Daher ist Dissonanz stets Bewegung und Übergang, nie Zusammenklang oder beständige Harmonie. Und das Modell der Natur muß die Basis der Musikwerke liefern. Bei diesem Punkt sieht man sofort, wieweit entfernt Schenkers Theorie vom Erfassen aller modernen Entwicklungen ist, wo sie uns die "wahre Natur" der Musik zeigt. Schönbergs Harmonielehre ist ebenso fest auf die klassische Tradition aufgebaut wie Schenkers und doch führt sie in eine vollkommene andere Richtung. In der Tat sagt uns Erwin Stein, Schönbergs Schüler, in einer kürzlich erschienen Broschüre, daß der gewöhnliche Accord von Schönbergs Wortschatz ausgeschlossen ist, da er nur aus ersten Haupttönen besteht, welche nichts neues beifügen, also "überhaupt kein Accord" sind. (Und war es nicht Prof. Tovey,3 der kürzlich darauf hinwies, daß "Musik nicht aus akkustischen Theorien gemacht werden könnte?) Auch dürfen wir nicht vergessen, daß bereits 1906 (als Schenkers Harmonielehre erschien) Disharmonien -- im gewöhnlichen Sinne des Wortes -- unter den Händen von Debussy und anderen Meistern vollkommen beständige Harmonien waren.

Wenn der Zweck von Schenkers Theorie die Feststellung ist, daß solche Versuche nicht im Einklang mit der "wahren Natur" der Musik sind, dann kann man nur sagen, das ihm bis jetzt nur das Annehmen einer nicht zu beweisenden Sache gelungen ist.

Monthly Musical Record, December 1934

COMMENTARY:
Format: 2p typescript, anonymous translation of published review in Monthly Musical Record, December 1934

FOOTNOTES:

1 This German text has been transcribed without noting typing errors and other orthographic features, since it is clearly a roughly-produced, informal document.

2 Click on John Petrie Dunn.

3 Text has "Torey": Donald Francis Tovey (1875-1940), English critic, writer on music, and pianist, who wrote sophisticated analytical notes for the concerts that he conducted (later published as Essays in Music Analysis (London: Oxford University Press, 1935-44), contributed articles on music to the Encyclopaedia Britannica (later published collectively (ibid, 1944)), and two monographs on Beethoven. He was the Reid Professor of Music at Edinburgh University from 1914.

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