OJ 70/11, [1] : 4-3-31
Handwritten letter from Cube to Moriz Violin, dated April 3, 1931
Duisburg/Rhld. Düsseldorferstr. 124.
Tel: 22261
3. IV. 31.
Sehr geehrter Herr Violin!
Ihre Nachricht1 erreichte mich in einem Augenblick, da sie mir beinahe als ein Symbol erscheinen muss. Sie werden wohl inswischen erfahren oder gelesen haben, in wie grässlicher Weise mein guter Vater aus dem Leben geschieden ist.2 Ich beeile mich, trotz Allem was gerade jetzt um mich und in mir vorgeht, in einer Athempause Ihren Brief zu beantworten, schon um Ihnen herzlich zu danken, und Sie zu versichern, dass mir kein besserer Trost werden konnte, als dieser Hinweis zu neuen, schönen Aufgaben mitziehen!
Die Stadt Duisburg hat weder mir noch meinen Eltern viel Gutes gebracht. Meine zweite Mutter und mein kleiner Bruder3 werden sie schon bald ver- {2} lassen, um in Berlin mit Hilfe der Verwandten eine neue Existenz zu beginnen, denn mein Vater hat uns alle in bitterster Armut zurückgelassen. Mich selbst bindet dann auch nichts mehr an Duisburg, wo ich mich in letzter Zeit nur noch ganz kümmerlich fortbringen konnte, ganz abgesehen von der Unmöglichkeit, im Sinne Schenkers auch nur einigermassen erspriesslich zu wirken. Ich habe schon länger versucht[,] in Köln und namentlich in Essen neue Verbindungen anzuknüpfen,4 und werde auch vorläufig diese Beziehungen weiterpflegen, um meine Lage in etwa zu verbessern, selbstverständlich aber so, das ich mich in jedem Augenblick wieder lösen kann. Auf jeden Fall ergreife ich mit tausend Freuden die mir gebotene Hand, und bitte Sie, meiner vollsten Hingabe an Ihr neues Werk versichert zu sein, dem ich alle meine Kräfte und Fähigkeiten nebst meiner Jugend und meinem Optimismus widmen will! Wie lange warte ich schon auf die Gelegenheit, mit in der vordersten Linie zu kämpfen, und ich bin so froh, dass {3} Sie es mit mir versuchen wollen, und dass Schenker es gutgeheissen hat. –
Die Bedingungen erscheinen mir sehr günstig, es muss ja bald überall besser sein, als hier in Duisburg. Besonders die freie Station, worunter ja wohl Wohnung und Verpflegung zu verstehen ist, wirkt für den Anfang sehr beruhigend, und die Möglichkeit gleich mit einer Anzahl Schüler anfangen zu können klingt für einen an hiesige Verhältnisse gewöhnten fast märchenhaft! Drei Jahre habe ich hier gebraucht, um das Vertrauen der Duisburger Holzköpfe soweit zu erwerben, dass von einem “Schülerkreis” die Rede sein konnte. Wat der Bur nich kennt, dat friätt he nich!5 Damit ist alles gesagt!
Lassen Sie mich bitte für heute mit meiner principiellen Zusage schliessen. Es gibt in den nächsten Tagen so vieles zu sorgen und zu ordnen, dass ich weder mit meinem Schmerz noch mit meiner Freude zur Ruhe kommen kann. In kurzer Zeit werde ich Ihnen {4} dann zu allen nötigen näheren Erörterungen zu Verfügung stehen.–
Einstweilen verbleibe ich mit erbensten Grüssen
Ihr
[ sign’d: ] Felix-E. von Cube.
© Heirs of the Felix-Eberhard von Cube, published with kind permission.
© Transcription William Drabkin 2006.