Handwritten letter from Jonas to Schenker dated October 27, 1934
27. Okt. 34.
Sehr veehrter Herr Doktor!
Zunächst meinen herzlichsten Dank für Ihre beiden freundlichen Briefe. Ihre Mitteilung im ersten Schreiben, daß Sie vom Ehepaar Hob. wenig zustimmendes über mich gehört haben, bestätigt mir nun die Richtigkeit meiner Vermutung. Schreiben ist dgl. wirklich vielleicht nicht geeignet und so will ich mir das Weitere auch aufsparen, wenn einmal wieder Gelegenheit zu mündlicher Aussprache da ist. H. hat jedenfalls keinen Ursache, sich über mein Betragen zu beklagen, da er mich grundlos belästigt und verdächtigt hat. Das müßte er wohl verstehen. Daß er jetzt mit dem Plan einer Archiv Zeitschrift herausrückt, mit dem ich ihm schon oft gekommen bin, ist vielleicht bezeichnend. Nun, wird etwas daraus und benötigt er mich, so wird er sich ja an mich wenden.
{2} Seine 200 Exempl. hat er seinerzeit zur Verfügung gestellt, um Persönlichkeiten, Bibliotheken und Lehranstalten zu beteiligen. Es wird auch eine ganze Reihe teils sehr netter Dankschreiben eingetroffen. (Hambg, Leipzig, Berlin, Köln etc, dann habe ich sehr nette Schreiben von Gieseking, den ich übrigens heute im Furtw. Konzert gesprochen habe, und Elly Ney, die mir auch für ihren heutigen Abend eine Karte geschickt hat.)
Gestern bekam ich von meinem Vetter die letzte Nummer des Käseblattes “23” – die Sie wahrscheinlich auch nun schon gesehen haben werden. Voll dummen Zeugs und schmutziger Pöbeleien. Wegen der Worte “Dr Jonas lügt bewußt” wird [illeg. word] Herr Reich jedenfalls wegen Ehrenbeleidigung zu verantworten haben. Mein Vetter wird sich übrigens der Klage anschließen. {3} Das Wiener Musikliteraturpack ist wohl so ziemlich das niedrigste von der Welt. Herr Reich hat sogar teilweise sein Herz für Schenker entdeckt, mindestens für die wertvollen Originalausgaben. Da dürfte das Pack wahrscheinlich sonst ein Veto der U.E. gefürchtet haben, die sich nicht gern das Geschäft mit den Beeth. Sonaten verderben lassen wird.
– Furtw. war auch zu mir heute rührend nett im Konzert und hat mich für nächste Woche eingeladen. Daß er unter allem sehr leidet, ist sicher. – Er gabe u. a. ein wunderbares Concerto grosso von Händel mit Solo Violine und Cello. –
Ich hoffe, daß in Hamburg jetzt etwas mehr zusammenkommt, 1-2 Kurse sollen jetzt eingerichtet werden und bei einer Pianistin Fromm-Michaels (Violin sehr gut bekannt) soll ich das nächste Mal einen Vortrag halten. Ich denke, daß es nun doch gehen wird.
{4} Jedenfalls lasse ich mich noch lange nicht unterkriegen!!! – Schön ist das Ihnen zugekommene Wort von Lichtenberg! Auch Folgendes, mir neues, fand ich unlängst:
“Wer eine Wissenschaft noch nicht so inne hat, daß der jeden Verstoß dagegen fühlt wie einen grammatikalischen Fehler in seiner Muttersprache, der hat noch viel zu lernen.”
Empfehlen Sie mich bitte Ihrer verehrten Frau Gemahlin und seien Sie ergebenst gegrußt
von Ihren stets dankbaren
[ sign’d: ] Oswald Jonas
© Heirs of Oswald Jonas, published here with kind permission.
© Transcription John Rothgeb 2006.