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from Halm Archives

December 1, 1916

OJ 11/35, [0] : undated

Handwritten letter from Halm to Schenker, undated, probably Nov/Dec 1916]

Stuttgart, Lehenstr. 21

Sehr geehrter Herr Professor!

Nach einem kurzen Einblick in Ihre Beethoven-Ausgabe [der ich bald genaueres Studium u. eine Besprechung in der Freien Schulgemeinde [in lower margin: (ein Exemplar geht Ihnen vom Verlag Univ-Edition aus zu)] widmen will]1 möchte ich Ihnen meine Freude u. Dankbarkeit ausdrücken. Die Möglichkeit ist mir wohl bewußt, daß Sie dieses u. jenes von mir gelesen haben, was Sie abweisen; auch fühle ich mich dem Grad nach mit Ihrer Bewertung Beethovens nicht eins. Doch meine ich, angesichts unseres, wie ich glaube, gemeinsamen Kunstwillens dürften Urteilsdifferenzen einstweilen zurückstehen hinter der Tatsache, daß wir dieselben Feinde haben, u. dennoch stark in {2} der Überzahl sind u. in Ansehen stehen u. damit Macht haben. Erlauben Sie mir die Frage, ob Sie geneigt wären u. die Zeit finden, in nächster Zeit einen Aufsatz von mir über einen neuen Klavierunterricht anzusehen? Ich plane eine “Klavierübung” für Anfänger, suche einen Verleger dafür u. würde Sie ja nach Ihrem Befund um Empfehlung bei der Universal Edition bitten.

Mit vorzüglicher Hochachtung
[ sign’d: ] August Halm

Durch meinen Verlag lasse ich Ihnen demnächst ein Heft Klavierkompositionen zusenden.

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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January 4, 1917

OJ 11/35, 1 : 1-4-17

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated January 4, 1917

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich danke Ihnen für Ihren freundlichen Brief.1 Einstweilen werden Sie vermutlich mein V. Klavierheft2 erhalten haben. Gewinnt es Ihre Zuneigung, so sende ich Ihnen gern noch mehr von meinen Sachen.—Den erwähnten Aufsatz über Klavierunterricht gab ich Auftrag, Ihnen zu senden, falls er nicht schon im Satz ist. Er sollte längst im “Neuen Österreich” erscheinen u. wird immer hingehalten. Baron Eberhard von Wächter3 in Harmersdorf [?] bei Wien hat ihn als Redakteur dieser Zeitschrift angenommen;4 seit langem bin ich ohne Nachricht; die letzterhaltene lautete auf Setzermangel. Ich hoffe, das Erscheinen Ihres “Kontrapunkts,” das ich schon im voraus {2} freudig begrüße, möge nicht durch solche Kalamitäten verzögert werden!

Sie Schreiben von “meinem Buch”; ich nehme an, daß es mein erstes ist: “Von 2 Kulturen der Musik”.5 Ist Ihnen das jüngste: “Von Grenzen u. Ländern der Musik” (Gesammelte Aufsätze) bekannt? Ich möchte Sie auf den Aufsatz: “Rhythmik u. Vortragsdynamik” S. 155-161 aufmerksam machen.6

Mit vorzüglicher Hochachtung
begrüße ich Sie.
[ sign’d: ] August Halm

Ich erlaube mir, einen Prospekt meiner Violinschule beizulegen, den Sie vielleicht gern lesen.7 Ich glaube, der ganze Jammer, gegen den Sie zu feld ziehen, ruht auf dem heutigen Unterrichtswesen. {3} Die Kretzschmar8 u. Bekker9 usw. hätten sich doch nicht als Musikschriftsteller auftun können, wenn das Publikum nicht zur Rat- u. Urteilslosigkeit erzogen worden.10
4.I.17.

© In the public domain.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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January 27, 1917

OJ 11/35, 2 : 1-27-17

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated January 27, 1917

27.I.17

Sehr geehrter Herr Professor,

Mein Klaviersatz ist mit meinen musikalischen Bedürfnissen zusammen gewachsen, infolgedessen mehr von der Klavierauszugstechnik bestimmt worden. Ich danke Ihnen aber für Ihre diesbezüglichen Ausführungen.1 — Meine Klavierschule denke ich mir zunächst nur in etwa 5-7 Druckbögen;2 ich könnte mich darüber nur ziemlich ausführlich erklären u. bedauere daher doppelt die Verzögerung, die mein Aufsatz darüber erleidet, den Sie wahrscheinlich immer nocht nicht erhalten haben. Ich schrieb an den musikalischen Schriftleiter der Zeischrift “Das neue Österreich” (existiert sie noch?) Herrn Baron von Wächter,3 seit langem vergeblich, hernach an die Chefredaktion—gleichermaßen ohne {2} Antwort zu erhalten, so daß ich fürchte, die Zeitschrift hat sich ihr Erscheinen unterbrochen u. meine Arbeit liegt irgendwo in einem verschlossenen Büro. Nach einiger Zeit werde ich ja auch ein druckfertiges Manuskript meiner Klavierschule haben, das ich dann der Univ.-Edition vorlegen kann. Nimmt sie dann überhaupt gegenwärtig neue Sachen an? Ich hätte eine Serenade (Streichtrio, für Schul- u. Hausmusik geeignet) druckfertig,4 bald auch eine Sonate bzw. Suite f. Viol. u. Cello mit Klavierbegleitung (gleichfalls für Liebhaber u. Schüler gedacht).5 Ich unterrichte seit Kriegsausbruch an einem Lehrerseminar als Hilfslehrer u. habe meine wenige Freizeit zum größten Teil solchen Bedürfnissen gewidmet.6 Mit hochachtungsvollem Gruß

Stuttgart [sign’d:] A. Halm
Lehenstr. 21

© In the public domain.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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February 3, 1917

OJ 11/35, 9[a] : 2-3-17

Handwritten postcard from Halm to Schenker, dated February 3, 1917

{recto}
Postkarte
[An:]
Hrn Professor [/] Dr. H. Schenker
Wien III.
Reisnerstr. 38

[ postmark: ] || STUTTGART No.3 | 3 FEB 17 12-1N | 5 ||
[ postal stamp: ] STUTTGART [ illeg ]

{verso}
3.II.17

Sehr geehrter Herr Professor!1

Ehe ich zu besserem Schreiben komme, will ich Ihnen für Ihre Briefe u. die Zusendung des Manuskripts danken,2 das wieder zu haben mir sehr wertvoll ist.

Was ich im Klavierunterricht bei Anfängern treibe, geht seither erheblich über das dort Gesagte hinaus.3

Hochachtungsvoll begrüße ich Sie.
Ihr [ sign'd: ] A. Halm

© In the public domain.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006

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March 18, 1917

OJ 11/35, 4 : 3-18-17

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated March 18, 1917

Stuttgart, 18.III.17.
Lehenstr. 21

Sehr geehrter Herr Professor!1

Ich glaube, was uns hauptsächlich unterscheidet, ist Ihr Glaube an das Genie u. seine Vollkommenheit.2 So oft ich Ihnen recht gebe, wenn Sie einen windigen Angriff zurechtweisen, so habe ich doch den Eindruck, daß Sie den Angriff an sich schon zu tadeln versucht sind.—Wenn Sie schreiben daß gewisse Züge in Bruckners Symphonien Sie abhalten, diesen den höchsten Rang zuzuweisen, so bin ich zwar aufrichtig begierig darauf, näher zu erfahren, was Sie meinen (was Sie ja auch in Aussicht stellen), aber nicht weiter erstaunt. Nur könnte ich in Beehovens Symphonien vielleicht noch mehr finden als Sie in Bruckner, von Brahms zu {2} schweigen, dessen wirkliche Meisterschaft mir sehr zweifelhaft—nur kann ich darüber nicht öffentlich sprechen, da ich ihn hiefür nicht genügend kenne, u. nur, um über ihn sprechen zu können, will ich auch nicht studieren. Er zieht mich nur in ganz vereinzelten Werken an.

Im ganzen glaube ich, daß er ein Opfer der Sonatenform u. ihrer Herrschaft war.3

Aber Sie haben mich schon in Ihrer Beethovenausgabe auf so manches aufmerksam gemacht, was mir entgangen war, daß ich Ihren Ausführungen jedenfalls mit Freude u. Spannung entgegensehe, auch bei anderer innerer Richtung.—Die Universal-Edition will jetzt nichts von mir u. gibt mir anheim, nach dem Krieg wieder anzufragen.

{3} Ihren Gruß an Dr. Grunsky kann ich nicht bestellen; wir sind persönlich schon seit einigen Jahren auseinandergekommen, durch sein Parteiergreifen u. die Art seines Kämpfens in einem Konflikt innerhalb Wickersdorfs, wo an dem ich damals unterrichtete.4

Mit vorzüglicher Hochachtung
begrüße ich Sie. [ sign’d: ] August Halm

© In the public domain.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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July 2, 1917

OJ 11/35, 5 : 7-2-17

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated July 2, 1917

{A recto} Eßlingen a. Neckar|1 Panoramastr. 11
2. Juli.17
Sehr geehrter Herr Professor!2

Der Ihnen bekannte, einstweilen noch erweiterte Aufsatz über Klavierunterricht erschien in der Zeitschrift “Die Freie Schulgemeinde”, Juli-Nummer (Verl. Eugen Diederichs, Jena).3 Ich möchte nun die leichteren Variationen Beethovens, die in der Peters Ausgabe im II. Heft kommen, mit in meine Klavierschule nehmen, in Auswahl natürlich. Nun muß ich vermuten, nach Ihren Ausführungen in Ihrer Bethovenausgabe, daß auch die Variationen im Text schadhaft geworden beschädigt worden sind.—Und eine {A verso} so eindringende Arbeit, wie Sie sie den späten Sonaten widmeten, wird an diesen kleinen Sachen noch nicht so bald getan werden. Können u. wollen Sie mir nun mitteilen, welche Ausgabe Sie für die wenigst schlechte halten (auf eine gute wage ich also nicht zu hoffen), so wäre ich Ihnen sehr dankbar. Bringt Cotta nun Ihren Kontrapunkt weiter heraus? Die Verleger tun ja im allgemeinen jetzt nicht mehr mit. Meine Bitte um ein Besprechungsexemplar hat Cotta nicht beachtet.—In unseremr xxxx Zeitschrift “Die Fr. Schulgem.” hattben wir zur Zeit viel dringend Aktuelles, ich hoffe aber, in der nächsten Nummer bringe ich endlich die Besprechung Ihrer Beethoven-Ausgabe, deren Verdienstlichkeit ich eindringlich verkünden will.3 Mit vorzüglicher Hochachtung[.]4 [ sign’d: ] August Halm

{B recto} Nachschrift: Die Hofbibliothek u. das Archiv müßten Ihnen doch wohl besondere Stunden einräumen! Haben Sie das schon versucht? Wahrscheinlich könnte auch der Verlag da mitwirken, denn [...?] „artikel- artikel” herzustellen, bei denen verhältnismäßig wenig Rohmaterial xxxx investiert {B verso} ist, muß doch der Staat jetzt begrüßen. Übrigens wird der Verlag überdieß noch Teilhaber einer Papierfabrik sein, vermute ich. Aber daß man auf Grund solcher Vorteile, eine eigene Druckerei, mehr Honorar herausschlagen kann, bezweifele ich, doch ists Versuchenswert.—Meine Serenaden sind das erste, bei dessen Druck ich keine Kosten habe u. sogar Honorar bezog5 (abgesehen von Zeitschriften).6

{C recto} Bei Vorauszahlung Ihres eines Anteils an einer Auflage müssen Sie sich Nachzahlung sichern, für den Fall, daß der Verlag nachher den Preis erhöht. Überhaupt sollten Sie einen Vertrag, wenn Sie sich nicht ganz sicher fühlen, ehe Sie ihn unterzeichnen, einem Rechtsanwalt vorlegen, der mit Preis- u. Verlagsgeschäften7 gut vertraut ist (das sind nicht alle Anwälte). Ein mir befreundeter Rechtsanwalt erklärte den Gg Müller8 Vertrag für ziemlich anständig (mit {C verso}Ausnahme des §3). In §2 ist [ein?] Widerspruch, der aber höchstens es zu meinem Gunsten ausgebeutet werden könnte.—Ich will heut nur aber diese Sache schreiben u. anderes aufsparen. Nur noch mitteilen, daß Fritz Busch9 in Stuttgart im nächsten Winter ein großes Konzert (C dur) aufführen will;10 am 12. April dieses Jahres soll es in Ulm mit dem dort neugegründeten “Philharmonischen Orchester” aufgeführt werden—Ja noch eines: Geht es, so bedienen Sie sich prozentuale Einnahmen aus anderen Ländern sichern, also eventuell haben Sie dann eine regelmäßige Quelle von Schweizer Franken!11

© In the public domain.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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July 21, 1917

OJ 11/35,9[b] : 7-21-17

Handwritten postcard from Halm to Schenker, dated July 21, 1917

{recto}
Postkarte
Abs: Halm
Eßlingen a.N.
Panoramast. 11.

[An:]
Herrn Prof. Heinr. Schenker
derz. in Pension Wetterstein[?]
Seefeld
Tirol

[ postmark: ] || ESSLINGEN (Neckar) | 21.JUL.17.5 N. | * 1 b ||
[ postal stamp: ] Stuttgart [ illeg ]

{verso}
Eßlingen, 21.VII.

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich danke Ihnen für Ihre gütige Auskunft1 u. Ihre Order an Cotta, der mir nun Ihre Harmonielehre u. Kontrap. I sandte. Sehr bedauere ich, diese wichtigen Werke jetzt erst kennenzulernen, zumal ich jetzt auch nur mit Unterbrechungen mich einarbeiten kann. Nehmen Sie bitte mit diesen wenigen Worten vorerst vorlieb.

Mit Hochachtungsvoller Begrüßung [ sign’d: ] A. Halm

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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January 20, 1918

OJ 11/35, 7 : 1-20-18

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated January 20, 1918

20.I.18

Sehr geehrter Herr Professor!

Haben Sie Dank für Ihren lieben Brief.1 Es war schon lang mein Wunsch, etwas Näheres über Sie zu wissen. Nun bin ich aber gegenwärtig so in Anspruch genommen, daß ich nur kurz schreiben kann. Zunächst zur Hauptsache. Sie weisen mir einen Widerspruch nach, den ich, vorerst, als solchen gelten lasse. Ich glaube eben an das Volk etwa in dem Sinn Kants: handle so als ob es das gäbe.2 Gern verweise ich auf den u. jenen Aufsatz, (Einiges von m[einem] Standpunkt u. wohl das Hauptsächliche steht in m[einem] Aufs. üb. Bruckner im Juli Heft des “Neuen Österreich.”)3 aber Drucksachen gehen ja so schwer über die {2} Grenze. Deshalb sandte ich Ihnen die Fr. Schulg.-Nummer (die übrigens sehr lang erst noch im Abzug der Fahne erschien u. die Sie kaum mit heute nennenswerter Verspätung erhalten haben dürfen) nicht direkt zu. Zu dem “Neuen Österreich” (vermutlich Septemb. u. Novemb. oder Dezember Heft.)4 kam ein Aufsatz von mir: “Von meinem Schaffen,” (worin ich Ihrer Beeth.-Ausgabe kurz erwähnte).5 Haben Sie den zu gesicht bekommen? Ich selbst sah die betreffende Nummer noch nicht, u. vermute, daß ein Belegexemplar an der Grenze festgehalten wurde.

Herzlich grüß ich Sie. Ihr [ sign’d: ] A. Halm

{3} Nachschrift

Daß Ihr Verleger nichts beifügt, ist ganz verlegerhaft. Er will natürlich nicht, daß man auf den Gedanken komme, er könne etwa an Ihnen froh sein. Ich schrieb ihm übrigens (d.i. der Universaledition),6 daß meine Besprechung ihn vielleicht veranlaßt, mir auch die anderen bei ihm erschienenen Arbeiten von Ihnen zur Besprechung zu senden. Es scheint aber, {4} nach seinem Schweigen zu schließen, daß er das nicht will. Ehe ich sie anschaffe, wollte ich Sie fragen, ob Sie noch einige Exemplare (Ich meine in erster Linie die Ornamentik u. die Analyse der IX. Symph.]7 übrig haben u. es Ihnen recht wäre, wenn ich Sie darum bitte u. Ihnen als Gegengabe Sache von mir zusenden ließe?

Aber verneinen Sie ruhig, wenn Ihnen das nicht paßt.

Es muß noch so weit kommen, daß die führenden Menschen einem Verlag vom8

© In the public domain.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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February 12, 1918

OJ 11/35, 8 : 2-12-18

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated February 12, 1918

[ stamped: ] 21341
Eßlingen, 12.II.18

Sehr geehrter Herr Professor,1

Dank für Ihren Brief u. Ihre wirksame Order an Ihren Verleger; gestern kam das Angekündigte.2

Nun möchte ich Ihnen aber doch auch noch Einiges von meinen Musik-Werken zum Geschenk machen u. gebe meinem Verleger diesbezüglichen Auftrag. {2} Von m. jüngsten Buch (“Von Grenzen u. Ländern d. Musik” [ges. Aufsätze]3, bei Gg. Müller München 1916) habe ich Ihnen schon geschrieben u. Sie auf die S. 155-161 insbesondere aufmerksam gemacht.4 Seither erschienen nur noch unmittelbar u. mittelbar dem Unterricht gewidmete Sachen. Ich habe 24 Musik-Stunden in der Woche im hiesigen Lehrerseminar, wo ich, seit Oktob. [19]14, übrigens nicht {3} Professor sondern Hilfslehrer bin;5 somit können Sie sich vorstellen, daß ich geraume Zeit brauchen werde, um mit Ihren vielen Gaben mich auseinanderzusetzen.6

Die Beilagen zu dem Heft der Fr. Schulgemeinde, in dem m. Aufsatz über Sie kommt, waren eigentlich nur für die regelmäßigen Leser d.h. in der Hauptsache die Mitglieder des Bundes für freie Schulgemeinden bestimmt;7 durch {4} eine Gedankenlosigkeit (u. überdies Vergesslichkeit) des Verlegers wurden sie auch mit den Belegexemplaren versandt.

Hochachuntungsvoll u. herzlich
grüßend
Ihr [ sign’d: ] A. Halm

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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December 13, 1918

OJ 11/35, 9[c] : 12-13-18

Handwritten postcard from Halm to Schenker, dated December 13, 1918

{recto}
Postkarte
[Absender:]
[ stamp sideways: ]
Aug. Halm
ESSLINGEN a.N.
Panorama 11

[An:]
Herrn Professor Dr. Schenker
Wien III
Reisnerstr. 38

[ postmarks: ] || Freigegeben | St. || || ESSLINGEN (Neckar) | 12.DEZ.18.5 N. | * 1 * || [ twice ]

{verso}
13.XII.18

Sehr geehrter Herr Professor!

Heut oder spätestens morgen schreibe ich Ihnen ausführlicher u. sende Ihnen den Brief Eingeschrieben. Einstweilen nur herzlichen Dank für Ihren Brief1 u. die mir zugedachte Hilfe, die ich sehr gern annehmen werde. Bestens begrüße ich Sie.

Ihr [ sign’d: ] A. Halm

© In the public domain.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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December 14, 1918

OJ 11/35, 10 : 12-14-18

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated December 14, 1918

Eßlingen, 14.12.18
[ personal stamp: ]
Aug. Halm
ESSLINGEN a.N.
Panorama 11

Sehr geehrter Herrn Professor!

Ich muß mich wieder, von dem Zeitmangel bedrängt, kurz fassen: Also, die Hilfe durch das Stipendium ist mir sehr willkommen.1 Der Kurs der Kronen u. Mark kenne ich nicht u. er kann sich jeden Tag ändern. Einen Vertrauensmann geschäftlicher Natur habe ich in Wien nicht. Vielleicht wäre es das Beste, ich ließe in Wien direkt eine Komposition stechen u. drucken—etwa ein zweites Heft Kammermusik.2

Haben Sie eigentlich diese Sachen (Kammermusik I, dann für Streichorchester: C moll-Konzert; Prälud. u. Fuge C moll, ein gleiches in F moll) erhalten? Ich vermute, daß entweder die {2} (durch m. Verlag G.A. Zumsteeg in Stuttgart besorgte) Sendung, oder ein Brief von Ihnen verloren gegangen ist.2

Die neusten Dinge haben mir, soweit ich jetzt sehe, zum mindesten nicht mehr geschadet als es der ganze Krieg getan hat; vielleicht komme ich sogar unter der neuen Regierung eher ans Licht. Aber es läßt sich noch nichts sagen. Ich muß schliessen, bald will ich mehr schreiben, für jetzt nur das Nötigste.

Bestens begrüß ich Sie.

Ihr ergebener [ sign’d: ] August Halm

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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December 31, 1918

OJ 11/35, [10a] : 12-31-18

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated December 31, 1918

31.XII.18

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich erhielt Ihre Karte vom 22.XII.1 Falls die Geldsendung2 nicht schon unterwegs, bitte ich, sie an die Oberamtssparkasse inEßlingen a. Neckar (Württemberg) auf mein dortiges Sparbuch No 20581 überweisen zu lassen.—falls Sie nicht günstigere Kurszeiten abwarten wollen. Aber wahrscheinlich ist unsere Mark nun auch soweit im Kurswert gedrückt, daß die Umschaltung nicht viel Schaden bringt. —Hätte nur irgend wer oder etwas Vernünftiges einen Nutzen von derlei Einbußen, die man durch Kursverminderung {2} erleidet!—Die Verleger werden ja in den neuen Zeiten sich gegenüber von ernsten Sachen mit noch größerer Feigheit panzern als bisher. Um so mehr bin ich an der von Ihnen dargebotenen Hilfe froh.3 Vielleicht aber nimmt jetzt auch die Musikfreundschaft4 ein ernsteres Gesicht an u. stellt die Verleger in die Ecke. Hoffen wir! [deletion] Durch irgend eine Lücke der mancherlei Trostlosigkeiten von heute kann unerwartet Gutes kommen; durch einige Ritzen hat es schon zu schimmern begonnen, wurde aber schnell wieder zugedruckt: ich meine die Schulerlasse des Preuß. Kultusministeriums.5

Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener
[ sign'd: ] August Halm

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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January 12, 1919

OJ 11/35,9[d] : 1-12-19

Handwritten card from Halm to Schenker, dated January 12, 1919

{recto}
Postkarte
[Absender:]
[ stamp: ]
Aug. Halm
ESSLINGEN
Panorama 11

[An:]
Herrn Professor Dr. H. Schenker
Wien IV III
Reisnerstr. 38

[ postmarks: ] || Freigegeben | St. || || ESSLINGEN (Neckar) | 12.JAN 9.8 N | 1 || [ twice ]
[ for continuation of message, see below ]

{verso}
An den Bankverein habe ich quittiert.
12.I.19.

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich teile Ihnen mit, daß ich von derm C.K. priv. Wie[ner] Bankverein in Ihrem Auftrag

Achthundert und fünfzig und sechs Mark

erhalten habe.1 Nochmals danke ich Ihnen für diese Hilfe u. begrüße Sie mit Hochachtung u. herzlich.

Ihr
[ sign’d: ] August Halm

{recto}
Ich lasse Ihnen demnächst ein Heft der Freien Schulgemeinde zustanden, das Musik von mir enthält.

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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November 3, 1919

OJ 11/35, 11 : 11-3-19

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated November 3, 1919

3.XI.19

Sehr geehrter Herr Professor! Ich möchte Ihnen gern ausführlich für Ihren lieben u. stärkenden Brief danken,1 muß das aber verschieben;2 vergessen will ichs gewiß nicht. Vorerst sende ich Ihnen eine unlängst erschienene Serenade;3 es wird mir sehr willkommen sein, wenn Sie mir Ihre Stellung dazu mitteilen, aber tun Sies nur wenn Sie wirklich Zeit haben; jedenfalls werde ich ein längeres Ausbleiben eines Briefs darüber nicht mißverstehen. Ich hoffe, die geplante Übersiedelung möge Ihnen nach Wunsch gelingen u. Sie mögen einen wohnlichen Platz in Deutschland finden—leicht ist das heute nicht. Aber den Zeitungsberichten nach, bei denen ich oft mit Besorgnis an Sie denken mußte, ists bei Ihnen ja noch viel schwerer {2} zu leben als bei uns. Ich begrüße herzlich u. mit besten Wünschen.

Ihr [ sign'd: ] August Halm

[P.S.] Haben Sie schon eine bestimmte Stadt für Ihren Aufenthalt im Auge? Also bitte haben Sie noch ein paar Wochen Geduld bis ich besser antworte.

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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January 5, 1920

OJ 11/35, 14 : 1-5-20

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated January 5, 1920

5.I.20

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich wollte, ich könnte Ihnen mehr u. besser raten als es nach meinem geringen Wissen, im folgenden geschieht.1 Ständige Einnahmen halte ich für das Bessere, also Vertrag auf Prozente, die ja auch für eine Auflage od. mehr als eine vorausgezahlt werden können, oder jedes Jahr abgerechnet.2 Am besten sende ich Ihnen zwei Verlagsverträge,3 die aber Ihrem Verlag nicht zu zeigen u. vertraulich zu behandeln bitte, d.h. Sie können ohne Namensnennung natürlich den Inhalt Ihrem Verlag angeben. Nur bitte ich, die Formulare mir nach Kenntnisnahme bzw. nachdem Sie sich die für Sie etwa wichtigen Punkte daraus notiert haben, bald wieder u. in Eingeschriebenem Brief,4 zurückzusenden. Unter uns gesagt: Die Abrechnung vom Gg. Müller Verlag5 mußte ich mir schon mehrere Jahre gerichtlich erzwingen, sowohl auch diesmal, d.h. er hat mir eine Anzahlung von 300 M. ohne Schwierigkeit auf meinen Wunsch geleistet, aber die Abrechnung bummelt er so gut er kann in die Länge.6

Prozente geben die Verleger nicht so gern; sie wollen lieber einmal zahlen u. dann mit dem Autor fertig sein. Natürlich muß man damit rechnen, daß eine möglicherweise bei prozentualer Einnahme, bei Mißerfolg, entsprechend wenig oder nichts erhält, auch daß man, wenn das Schicksal einem das Leben zu früh abschneidet, selbst wenig von seinen Arbeiten einnimmt u. eigentlich blos die Wartezeit auf den Erfolg, nicht aber diesen selbst auskostet. Ich selbst bin aber stets mehr für Prozente als für einmalige Abfindung gewesen.6

Bei meiner ersten Arbeit, der kleinen Harmonielehre,7 der Sammlung Göschen, habe ich mich leider mit einmaliger Hono- {2} -rierung betölpeln lassen. Als ich mit Gg. Müller abschloß, sagte mir ein mir bekannter u. befreundeter Verleger (der beinahe ein Buch von mir herausgegeben hätte, falls nicht Müller es genommen hätte) 15% vom Ladenpreis seien nicht schlecht; mehr hätte er mir auch nicht geben können u. sie entsprechen etwa demr von mir verlangten Hälfte des Reingewinns. Aber das wird wohl nur für die 1. Auflage gelten, bei der noch der Satz mit in Rechnung kommt. Vielleicht daß sie auch noch auf die nächsten 1000 verteilt werden—jedenfalls lassen Sie sich für spätere Auflagen, etwa das 3. Tausend, Erhöhung sichern, ca. 20%. Oder versuchen Sies erst mit mehr (ich weiß aber nicht wie weit man da gehen kann).8

Meine Musik habe ich aus eigener oder meiner Freunde Tasche, abgesehen von dem von Ihnen vermittelten Stipendium, drucken lassen, wobei ich aber natürlich nicht gut fahre. Dies gibt also keine Verlage für unsere Erwägung, desgleichen nicht die Zeitschrift, “Die Freie Schulgemeinde,” die Eugen Diederichs verlegt, u. die in erster Linie für die Mitglieder des Bundes für Fr. Schulgemeinde bestimmt ist u. sich aus den Mitgliederbeiträgen halten muß; die daran gerückte schriftstellerische u. redaktionelle Arbeit leisten wir ohne Honorar. Also kann ich Ihnen eben aus meiner Erfahrung kaum etwas Nützliches mitteilen. —Für Übersch...rechtsverkauf[?] lassen Sie sich mindestens die Hälfte sichern des Preises. Zu [Dem] §3 des Gg. Müllervertrags: solches wollen die Verleger einem immer gern für unbestimmte Dauer ablocken. Ich ging nicht darauf ein u. nannte, anstatt ganz abzulehnen, 6 Jahre, da ich in dieser Zeit ohnehin kein Buch zu schreiben gedachte (eigentlich will ich überhaupt keins mehr schreiben). Auf die in Ihrem Brief angekündigten Veröffentlichungen freue ich mich sehr.

Mit herzlichem Gruß Ihr [ sign’d: ] A. Halm

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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January 11, 1920

OJ 11/35, 15 : 1-11-20

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated January 11, 1920

11. I. 20.

Verehrter Herr Professor!

Zu Ihrem Brief1 könnte ich zunächst in Beziehung auf die geschäftliche Frage mich äußern.2 Daß Ihr Verleger nun einsieht, daß Sie zu Wort kommen müssen, oder daß er auch gut dabei fährt, wenn er Wichtiges u. Nachhaltiges bringt, freut mich sehr. Der Gedanke der Kleinen Bibliothek aber nicht gleichermaßen[?], d.h. nicht unbedingt.3 Ich meine, die typischen Analysen sollten genügen; eine ganze zweite Existenz der Kunstwerke in Analysen stelle ich immer ungern vor.4 Von meinem Bedürfnis aus müßte ich wünschen, Sie schrieben die Musikgeschichte, für die wir bis jetzt kaum kümmerliche Surrogate haben, u. wenn das nicht möglich, da nach meinem Wissen oder Vermuten Wichtiges noch ganz unaufgeklärt ist (wer hat zuerst mit klarem Bewußtsein ihrer funktionellen Wirkung eine die Kadenz, {2} die Sequenz gebraucht? Das kümmerte ja die Musikgeschichtenvefasser gar nicht!) einzelne Abschnitte von Musikgeschichte; was ich in Ihren Büchern nach dieser Richtung fand, erweckte mir sehr stark diesen Wunsch, den ich Ihnen hiemit vortragen will. Der Verleger wird, denke ich, auch an das mit Mut hingehen. (Ich selbst weiß viel zu wenig u. kann an dergleichen nicht denken, u. wer außer Ihnen sollte das können?)

Mit besten Grüßen u. Wünschen
Ihr
[ sign’d: ] A. Halm

Es fiel mir noch ein, daß Sie schon um die Möglichkeit in ein anderes Land, sei es auch nur Deutschland, zu ziehen, sich zu wahren, sich anstatt einmaliger Abfindung mit österreich. Geld regelmäßige Einkünfte sichern sollten, u. zwar eben auch Prozent daraus, anderen Ländern fließenden Einnahmen in der betreffenden Währung u. mit Einberechnung des Verleger- (u. womöglich (?) Buchhändleraufschlags.[)]

© In the public domain; published with the agreement of the heirs of August Halm 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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February 10, 1920

OJ 11/35, 16 : 2-10-20

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated February 10, 1920

10.II.20
Wickersdorf bei Saalfeld/Saale (in Thüringen)

Sehr geehrter Herr Professor!

Ich bin auf etwa 7 Wochen (auch jetzt noch etwa 6) hier, wo ich mich noch immer in der Heimat fühle.1 Ihre Sendung mit meinen Verlags-Kontrakten habe ich richtig erhalten u. danke Ihnen auch für Ihren eingehenden Brief,2 den ich beherzige u. öfters gelesen habe. Erlauben Sie mir für jetzt eine geschäftliche Frage. Von der gegenwärtig starken Unternehmungslust der Universaledition hörte ich kürzlich auch von anderer Seite. Nun gehen manche meiner Kompositionen, d.h die Auflage, auf die Neige, z.B. meine Klaviersachen, u. ich suche auch für neues einen Verlag. Das eigene Risiko u. das eigene geschäftliche Drum u. Dran habe ich beschlossen, nicht mehr auf mich zu nehmen u. ich möchte Sie fragen, ob Sie glauben, daß die Universaled. meine Sachen nimmt, u. ob Sie bereit wären, ihr dazu zu raten. (u. mir). Sie sollen wirklich nicht mal Zeit damit verlieren;3 aber {2} vielleicht bedarf es Ihrerseits nicht vieler Worte, um ihn dafür zu interessieren. Näheres schreibe ich dann, wenn ich Ihre grundsätzliche Stellung zu der Frage kenne, die natürlich auch von der Ihnen einstweilen gewordenen Antwort des Verlags abhängt (wenn auch einer Neigung, dem Verlag m. Sachen anzuvertrauen). Ich suche auch in Deutschland, aber wahrscheinl. nicht mit Erfolg. Wissen Sie nicht einen kleinen, aufstrebenden Verlag dort, der noch eher mit den berechtigten Wünschen des Autors rechnet?—Ja: das noch: die Buchstabentypen der Univ. Ed.4 sind mir sehr unerwünscht u. fast ein Abhaltungsgrund. Hoffentlich besteht sie nicht auf ihnen.—Wenn nur Furthwängler einmal was von mir aufführte.5 Ich war eigentlich überrascht, als Sie mir davon schrieben, daß er sich Ihnen gegenüber günstig über meine Sachen geäußert habe. Als ich einmal bei ihm war, sprach er, zwar dies u. jenes anerkennend, im ganzen in einer für mich wenig hoffnungsvoller Weise. Ich habe auch schlecht gespielt, wie es mir leicht passiert, wenn ich Widerstand spüre. Meine Stellung zu den Verlegern wird natürlich durch die Zurückhaltung der Dirigenten auch nicht leichter.

Mit herzlichem Gruß
Ihr
[ sign'd: ] A. Halm

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© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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April 13, 1920

OJ 11/35, 17 : 4-13-20

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated April 13, 1920

13.IV.20

Lieber u. verehrter Herr Professor!1

Ich danke Ihnen für Ihren
ausführlichen Brief.2 Demnach möchte ich mit der Universal-Edit. lieber gar nicht anknüpfen. Man muß sich freilich vielleicht einmal entscheiden, ob man nicht doch lieber auch unter ganz schlechten Bedingungen etwas veröffentlicht, was man eben für das Ergehen der Musik für wichtig hält. Und die großen Herrn u. Räuber vertreiben die Sachen (in allgemeinen) doch noch am besten, so daß der Zweck eher erfüllt wird. Aber was Sie mir von dem Herrn schreiben, geht über das Maß, u. man sollte (wenn man dazu eben irgendwie in der Lage ist) diese Geschäftsmänner[?] kaltstellen anstatt sie durch Erfolg zu krönen. Das ist ja alles bewußte Taktik, Ermüdungs- u. Aufreibungstaktik. Die Verleger haben Zeit u. Kraft dazu, es ist ihr Metier, ihre Lebensgabe, u. {2} sie wissen, daß wir keine Zeit dazu haben u. irgendwann einmal nachgeben werden, so daß sie trotz ihrer dümmsten u. plümpsten Manöver immer noch uns überlegen sind. Ich meine, wir müßten ihren gerade diesen Trumpf vorweg aus der Hand schlagen; in diesem Fall: Sie sollten sich solche Mißachtung Ihrer Zeit durch des Verlegers Unzuverläßigkeit bzw. Zurückziehen verabredeter Dinge ein für allemal verbitten, u. erklären, daß Sie dergleichen als Abbrechen der möglichen Beziehungen seinerseits verstehen. Und dann, im Fall der Instrumentationslehre3 einfach klagen, vorausgesetzt, daß Sie Beweise oder so gegründeten Verdacht haben, daß das Gericht seine Bücher nachsehen lassen muß. Das kann natürl. nur ein guter Rechtsanwalt beurteilen. Ich habe den Gg. Müllerverlag schon 2 mal wegen säumiger Abrechnung verklagt, u. stehe immer noch ganz gut zu ihm. Er macht eben eine 2. Auflage meines Kulturbuchs.4

[ written vertically, right margin: ]
Herzlich grüße ich Sie.
Ihr
[ sign'd: ] A. Halm.

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© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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August 21, 1920

OJ 11/35,18[a] : 8-21-20

Handwritten postcard from Halm to Schenker, dated August 21, 1920]

{recto}
Postkarte
[Absender:] [ stamped twice: ]
Aug Halm
ESSLINGEN
Panorama 11

[An:] Herrn Professor Dr. H. Schenker
(Wien III. Reisnerstr. 38)
z. Zeiten Seefeld
Tirol

[ 3 postmarks: ] || ESSLINGEN | 21.Aug 20 9.N | 3 | Postamt Nr.1 ||

[ message continuation here: see below ]

{verso}
21.8.20

Lieber Herr Professor!

Verlangen Sie “Durchschreibbücher”, am besten solche für Achatstift. Sie sind natürlich den Papierpreisen entsprechend teuer. Es gibt verschiedene Firmen. Als gut kenne ich die der Firma Wuhrmann. Es gibt auch solche für 2 Kopien (so daß man 3 Examplare hat) u. sogar 3. Am besten lassen Sie sich in einer guten Schreibmaterialienhandlung die Auswahl zeigen. Vielleicht treffen Sie auch in {recto} einer kleinen Stadt noch in irgendeinem Laden alte Bestände. Wünschenswert ist dann noch eine Art Puderbeutel, aber nicht notwendig, um das Sichverwischen zu verhüten. Ja, Blaupapier [written vertically in left margin: (doppelseitiges)]. Es gab auch sehr schönes schwarzes.

Herzl. Gruß!
Ihr
[ sign’d: ] A. Halm

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© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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December 30, 1920

OJ 11/35,18[b] : 12-30-20

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated December 30, 1920

Wickersdorf bei Saalfeld, Saale
(Thüringen)
30.XII.20

Lieber u. verehrter Herr Professor!

Ich kann Ihnen nur ganz kurz für Ihren so freundlichen Brief danken1 u. meiner Freude Ausdruck geben, daß Sie so viel von Ihren Arbeiten in Druck bringen konnten. Meine Sachen harren bessere Zeiten; eine der Ausnahmen sende ich Ihnen hiemit als Gruß.

Habe ich Ihnen geschrieben, daß am 2. Mai in Stuttgart mein großes Konzert aufgeführt werden soll?—Falls Sie noch an die Reise nach St. denken, so können Sie diese vielleicht demnach einrichten?

Mit herzlichen Grüßen u. Wünschen
Ihr
[ sign’d: ] A. Halm

{2} Beinahe hätte der Zwißler-Verlag 3 Klaviertrios von mir angenommen (Suiten, 2 große, 1 kleine).2 Aber er hat vor den Kosten Angst bekommen.

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July 28, 1921

OJ 11/35,19 : 7-28-21

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated July 28, 1921

28.VII.21

Lieber u. verehrter Herr Professor!

Zuerst auf Ihre Werke, u. zwar auf die Beethoven-Sonaten-Einzelausg.1 aufmerksam gemacht hat mich ein Herr M. Hanz2, jetzt Oberlehrer (Titel wahrscheinlich “Studienrat”) am Lehrerseminar in Heilbronn am Neckar. Er ist eigentlich Naturwissenschaftler u. Mathematiker von Beruf; sicher wird er sich über die zugedachte Gabe3 außerordentlich freuen; doch glaube ich, daß sie bei m. Freund Schmid,4 Oberlehrer u. Musikdirektor in Nagold (Württemberg) musikalische fruchtbarer angelegt wäre.

{2} Von den genannten Sachen ist noch nichts an mich gelangt. Ich wohne nicht mehr in Eßlingen, sondern in Wickersdorf bei Saalfeld a. d. Saale, Thüringen. Habe ich Ihnen geschrieben, daß ich im Mai m. großes C dur Konzert,5 von F. Busch6 aufgeführt, in Stuttgart gehört habe? Erfolg im Konzert sehr gut; in den Zeitungen verschieden, meist flau oder noch weniger! Im Oktober wurde es zum erstenmal aufgeführt in Ulm, wobei ich die Klavierstimme gespielt habe, (so daß ich zu wenig vom Ganzen hörte). Ich bin gern hier (in der Freien Schulgemeinde). Daß Cotta den Kp. weggibt,7 ist mir insofern leid, als ich mich gefreut hatte, daß der alte schwäb. Verlag wieder etwas Wichtiges von großem Stil herausbringt.

[ remainder written vertically on the left, top to bottom: ]

Aber wenn es für Sie so vorteilhafter ist, so ist mir es natürlich auch lieber. Den Winter war ich zieml. fleißig; vielleicht finde ich auch bald einen Verleger.

Herzliche Grüße von Ihrem
[ sign’d: ] A. Halm

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© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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July 24, 1922

OJ 11/35, 20 : 7-24-22

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated July 24, 1922

24.VII.22

Lieber u. verehrter Herr Professor!1

Oft denke ich an Sie, wenn ich wieder einmal etwas aus Wien lese (aber nicht nur dann), u. mache mir Gedanken darüber, wie es Ihnen gehen mag. Aber wenn ich dann die Portosätze auf österreichischen Briefen sehe, denke ich wieder, daß man niemand zu einem irgendwie vermeidbaren Brief veranlassen soll. (Was ja auch bei uns zutrifft). Es freut mich sehr, daß ich ein neues Heft bei Ihnen anmelden kann: Von 3 Suiten für Geige, Cello u. Klavier werden zwei zusammen in einem Heft erscheinen, das Sie sofort nach Erscheinen von mir erhalten sollen; ich habe den Verleger schon gebeten, dies zu besorgen. Ich hoffe, Sie werden es vor Weihnachten noch erhalten. Die Fahnen sind definitive korrigiert.

19.VIII.22
Der Brief wurde nun doch nicht mehr vor meiner kleinen Ferienreise fertig. Einstweilen erhielt ich Ihren Kontrapunkt II; ich danke Ihnen herzlich für Ihre wertvollen Gaben. Je mehr ich mir bewußt bin, wie wenig planvoll mein Arbeiten im ganzen, (ich meine nicht im einzelnen Stück) gewesen ist, desto mehr bewundere ich die Kraft der großen Konzeption, u. in der Ausführung, der langen, höchst aktiven Geduld, von der Ihre einzelnen Werke, auch abgesehen von iIhrem großen Einzelwert, Zeugnis geben. Ich will mich ja damit nicht {2} deshalb tadeln oder es herabsetzen, daß ich zumeist eben den Zufall gepackt habe, u. Sie dürfen gewiß nicht denken, daß ich etwa in falscher Bescheidenheit einen Trost oder ein Lob ernten möchte; ich bin im grund nicht unzufrieden mit dem Gang meiner Arbeiten, u. jedenfalls ist er meiner Natur gemäß. Aber der Anblick eines planvollen u. willensstarken, langen Atems fähigen Strategen ist mir um so wertvoller, d als ich eben, selber ganz anders bin; u. so sehr Sie gewiß fühlen, wie Ihre Werke im Entstehen u. dann im Erscheinen behindert u. verzögert wurden durch allerlei äußeren Zwang u. Verlegerdummheit, etwa auch Verlegertücke, so dürfen Sie doch sicher sein, daß Sie mit Ihrem Schaffen diesen vorbildlichen u. stärkenden Anblick in selten hohem Maß gewähren.

Unsere gelben Schulgemeinde-Hefte sind am Aufhören; eine Besprechung (kurz, etwas summarisch, wie es nicht anders geht) hoffe ich noch in die Abschiedsnummer zu bringen, die aber selbst nicht ganz gesichert ist.

Um der Wahrheit willen de muß ich Ihnen sagen, daß mir Ihre Angriffe auf England u. Konsorten u. Ihre Verherrlichung der Deutschen leid sind. Zum ersteren: ich finde es unrecht, daß man von Seiten unserer frühen Feinde (die zum teil in schnöder Weise die Feindschaft forgsetzen, gewiß!) uns als Volk für die zweifellos von unserer Regierung begangenen {3} Fehler[?]2 bestrafen wollte u. vollends, daß man zum teil damit kein Ende finden will. Umgekehrt ist es dann auch nicht recht, wenn wir jetzt die französische Regierung (ich nenne sie als den derzeitigen Hauptfeind) als das französische Volk ansieht. Irgendwann und irgendwo muß man mit dem Völkerhaß aufhören, u. wenn das für die Besiegten u. tatsächlich Betrogenen viel schwerer ist als es für die Sieger sein sollte, so wollen wir, indem wir trotzdem damit anfangen, unsere bessere Qualität beweisen. Und wir wurden und werden ja auch von eigener Seite her belogen oder getäuscht. Lese ich einmal bei Harden (den ich gewiß nicht gern mag (übrigens erfreute ich mich an zwei Besprechungen von Ihnen, über Smetena u. italjenische [sic] Opernaufführungen in alten Zukunft-Nummern, die mir ein Kollege zu lesen gab)) etwa eine Rede von Briand|3 im Wortlaut: wie anders, wie viel besonnener, mäßiger, gebildeter klingt sie als die Auszüge u. Berichte in den Tageszeitungen vermuten lassen! Kurz, wenn man nicht den ganzen Tag verschiedenste, namentlich auch ausländische Zeitungen lesen kann, so weiß man ja viel zu wenig, ein als daß man ein für das Urteil grundlegendes Bild zu haben könnte. Zum zweiten: ich schätze zwar den Geist u. die Leistungen4 französischer Kunst viel mehr als Sie, will aber nicht bestreiten u. glaube es sogar, daß {4} die deutsche Musik obenan ist. Das kann einen Vorrang der Deutschen bedeuten, es kann aber auch sein, daß es auf Kosten der andern geschieht, wenn ein Genie in Deutschland entsteht. So scheint es mir, wenn ich an die Russen denke, die mir als Volk musikalischer vorkommen als wie die Deutschen, die aber weniger hoch kommen, was ihre Genies anbetrifft. Bei uns große Erhebungen aus tiefer Niederung (was freilich für das Mittelalter nicht so gelten mag); dort, u. wohl auch in Italien, die höhere Ebene. Natürlich dürfen wir das praktisch nicht gelten lassen, d.h. wir dürfen nun nicht das Erziehungswerk preisgeben, müssen handeln “als ob.” Und Sie betonen ja gewiß auch die Tatsache der deutschen Niederungen u. Sumpfgelände u. Nebellande rückhaltlos genug. Aber der Beruf zur führenden Rolle geht für Deutschland nicht aus der Tatsache der größeren Zahl der überlegenen Genies in Deutschland hervor.

Zu Einzelnem: Das Lied: Ich stand in dunkeln Träumen zähle ich nicht zur guten Musik, u der Nachweis sowohl der Urlinie als auch vieler Feinheiten ist für mich noch kein Beweis, daß ich Unrecht habe.5 Aber das kann ich nun nicht näher ausführen. Ähnlich geht es mir mit den späten Sonaten Beethovens Adur (auch As dur), die mich eben einfach (gefühlsmäßig) nicht ganz überzeugen. Der Typus der Beethovenschen Fuge steht mir sehr hoch; ihn erfüllt hat Beethoven, wie ich meine, nur in der Hammerklaviersonate, in der großen B dur Fuge {5} für Streichquartett, u. wahrscheinlich in dem Finale der späten D dur-Sonate für Cello u. Klavier. Sicher haben Sie mir gerade auch in solchen Stücken, die mir innerlich fremd sind, die Augen für viele gute Züge geöffnet u. ich empfinde auch bei einzelner Gegnerschaft Dankbarkeit dafür.6

Ihre Aufstellung dessen, was eine Musikgeschichte aufhellen müßte, kam einem Bedürfnis von mir entgegen; ich habe schon ähnliches versucht, aber fand nicht diese Vielzahl der Fragen u. nicht die Ordnung. Noch eines: was ich oben schrieb, gilt auch für die angekündigte Sendung, in anderer Weise: ich nehme an, daß sie (d.h. meine Suiten) etwa gerade zu einer Zeit zu Ihnen kommen, wo Sie mitten in dringender Arbeit sind. Dann lassen Sie sich nicht stören u. warten Sie ruhig u. beliebig lang mit dem Schreiben. Daß es mir nicht gleichgültig ist, was Sie dazu sagen, geht ja gewiß deutlich aus meiner ganzen Stellung zu Ihnen hervor, daß ichs nicht zu versichern brauche, u. auch eine etwa weniger günstige Kritik w[ü]irde ich mir von Ihrer Seite kommend, als ein Zeichen der Teilnahme gelten. Wir haben hier diese Musik öfters gespielt; sie gehört zum Kammermusikbestand unserer Schulgemeinde.7

Leider sind unsere Verleger nicht so gescheit wie die Universal-Edition, die offenbar merkt, daß Veröffentlichungen immerhin jetzt zu den sichereren u. besseren “Papieren” gehören. Mein neuer Verlag, G. Kallmeyer, ist ein {6} lieber u. anständiger Mensch, hält auch viel von mir. Leider nicht sehr kapitalkräftig, kann er nicht viel auf einmal riskieren, sonst würde er gleich mehr von mir veröffentlichen. Aber ich habe nun doch nichts selbst zu riskieren, u. überhaupt keine geschäftlichen Mühen dabei.

Sie wollten früher nach Deutschland ziehen—haben Sie den Plan zurückgestellt oder ganz aufgegeben? Wir sind an unserer Schule noch ziemlich gut daran, aber wie lang wir der Teuerungsnot stand halten werden, weiß niemand.

Mit herzlichen Grüßen und Wünschen

Ihr
[ sign’d: ] August Halm

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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September 30, 1922

OJ 11/35, 21 : 9-30-22

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated September 30, 1922

30.IX.22

Lieber u. verehrter Herr Professor!

Ich schätze dankbar Ihr Vertrauen. Ihr Brief1 wird mir manches Nachdenken machen. Anbei die Zeitungsausschnitte zurück.2 Mehr kann ich heut nicht schreiben; ich bin in großer Eile, u. heut ist der letzte “billige” Posttag, an dem ich möglichst viel zur Post gebe. Und so bald könnte ich Ihnen doch nichts Eingehendes weiter schreiben, ohne weiter überlegt zu haben. Herzliche Grüße u. Wünsche von

Ihrem
[ sign’d: ]August Halm.

{2} Nachschrift: die beiden Flugblätter,3 die ich beilege, können Sie behalten, oder wenn Sie sie nicht haben wollen, mir gelegentlich zurücksenden. Nur sollen sie nicht weggeworfen werden. Aber vielleicht haben Sie sie gern in Ihrer Sammlung.

Die No. 1 finde ich eben nicht.

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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November 10, 1923

OC 12/7–9 : 11-10-23

Handwritten letter from Halm to Schenker dated November 6-10, 1923

6./10. XI. 23.

Lieber und verehrter Herr Professor!

Ihre Karte1 hat mich sehr erfreut. Eben in diesen Tagen gab ich einer nach Wien reisenden Wickersdorfer Erzieherin2 die neuerschiene Partitur eines Streichquartetts3 für Sie mit [written vertically in the left margin: die Partitur wird Ihnen dort zugestellt werden], die Stimmen sind noch nicht fertig gedruckt. Ich hatte von Freunden einige “Edel”valuta (wie der herrliche Name lautet) zum Zweck der Veröffentlichung von meiner Musik geschenkt erhalten u. konnte damit die Hefte 4-6 Kammermusik herausgeben. Das ist jetzt zu Ende. Geschenke zu {2} diesem Zweck nehme ich unbedenklich dankbar an; ich fasse aber die Absicht Ihres Konzerts4 anders auf, u. so, daß ich hier nicht in Betracht komme, denn ich gehöre zunächst nicht zu den notleidenden unter den Künstlern.

Bis jetzt haben wir hier in unserer Freien Schulgemeinde zwar oft Schwierigkeiten gehabt, sie aber immer, mehr oder weniger gut, immerhin doch überwinden können. Unser Essen ist nahrhaft u. ausreichend, verhältnismäßig gesehen sehr gut; gefroren haben wir einigermaßen, aber erträglich, um unsere Heiz-Vorräte für den Winter zu sparen. Die neusten Verwicklungen samt Geldsturz brachten uns in Sorgen, doch hoffen wir, daß wir durchhalten können. Im Frühjahr will ich in der Schweiz einige Vorträge halten, Prof. Dr. E. Kurth in Bern, der viel auf meine Bücher und meine Musik hält, hat dafür geworben.5

{3} Mein kleines Vermögen, c. 30,000 Mark in Frieden, ist natürlich wertlos geworden; darüber mache ich mir nicht viele Gedanken. Ich mache aber an meinen Arbeiten weiter solang ich kann. Gegenwärtig bin ich an der Orchesterpartitur einer größeren Symphonie, die im Winter oder Herbst [19]24 in Stuttgart gespielt werden soll (ich habe den Entwurf dem dortigen Kapellmeister [Carl] Leonhardt im Sommer vorgespielt).6 Mein C-dur Konzert und eine Overtüre war für ein Berliner Konzert vorgesehen, das aber anscheinend gar nicht oder vorläufig nicht zu stand kommt. –7

Ich habe für unsere Aufführungen von Schauspielen hier im Lauf der Zeit manche Musik geschrieben, die ich gern veröffentlichen möchte, mit kleiner Besatzung (Flöte, Streichquartett, Klavier), für geübte Schulorchester zugänglich; Sommernachtstraum, Wintermärchen, Cymbeline, {4} Sturm (die Overtüre u. d. Zecherkanon zu “Was ihr wollt”8 erschienen schon lang in einem Heft der einstweilen eingegangenen “Freien Schulgemeinde”; ich vermute, daß ich Ihnen das seinerzeit zugesandt habe); dann noch Musik zu mehreren Stücken von [Martin] Luserke.9 Ich glaube, daß ein Verleger damit nicht schlecht führe – ich will gar keinen Idealismus von den Verlegern erwarten; wenn sie mir mehr von ihrem Geschäft verstünden u. Instinkt u. Menschenkenntnis hätten, so wäre beiden Teilen geholfen. –10

Von Ihren Heften “Tonwille” habe ich schon manches Gute gelernt u. ich danke Ihnen für diese Bereicherung meiner Erkenntniße u. Auffassung. Am meisten {5} Eindruck machte mir, was Sie über das Cis[recte: Fis]-dur Präludium Bachs sagen.11 Ob diese Lehren auf mein Erfinden u. Gestalten Einfluß gewonnen haben, weiß ich nicht; ich glaube, man kann sich solches nicht so eigentlich vornehmen u. beschließen, auf diese Art zu denken. Auch ließ ich es nicht gelten, davon die letzte Entscheidung herzunehmen. Gesetzt, Bruckner habe die Urlinie nicht, so würde ich es zunächst offen lassen, ob das ein Fehler bzw. Mangel an seiner Musik ist, oder ob es die notwendige Kehrseite seiner Vorzüge ist – an die ich mich nach wie vor halten würde;12 das müßte ich dann erst untersuchen. Überhaupt wären wir ja, glaube ich, in manchem {6} engerem aber wichtigem sachlichen Bezirk ausgesprochene Gegner, wenn wir nicht den gemeinsamen Haß gegen die Verlotterung fühlten (deren Größe mir gewiß durch Ihre Schriften erst im ganzen Maß klar geworden ist, vor allem durch Ihre Beethovenausgaben.). –13

Neulich erst erfuhr ich, daß mein Buch über Bruckners Symphonie in der (an einigen Stellen verbesserten) Neuauflage im vergangenen Sommer richtig erschienen ist;14 ich hatte schon gefürchtet, daß der Verlag die Ausgabe wegen der Teuerung sistiert haben könnte. Liegt Ihnen daran, so lasse ichs Ihnen zusenden. Ein Wort von Ihnen über meine Musik habe ich vermißt, aber ohne Ihnen des- {7} halb etwa gram zu sein, da ich doch weiß wie viel Sie mit dringenden Arbeiten in Anspruch genommen sind. Immerhin bekam ich mit der Zeit so etwas wie eine Ahnung, daß Sie wohl nicht recht mit diesen Sachen einverstanden sein möchten, was mir zwar leid wäre, mich Ihnen und Ihrem Schaffen aber keineswegs entfremden könnte. Doch habe ich aus diesem Grund weitere Veröffentlichungen nicht an Sie gehen lassen, bis ich (etwa eine halbe Woche vor Eintreffen Ihrer Karte) das neugedruckte Streichquartett für Sie bestimmte u. Fräulein Neumann zur Reise mitgab;15 ich dachte, daß das Ihnen gefallen könnte. Liegt Ihnen aber daran, auch die {8} dazwischen liegenden Veröffentlichungen zu haben – ich meine, wenn Ihnen meine Musik, auch ohne daß Sie ihr ganz zustimmten, von einigem Wert ist—so schreiben Sie mir nun ein Wort, u. ich lasse sie Ihnen zugehen. Die Stimmen zu d. neuen Streichquartett (es ist übrigens c. 3-4-5 Jahre alt) sind noch nicht da. Wollen Sie gern auch die Stimmen haben? Das letzte was ich Ihnen senden ließ, war glaube ich Kammermusik II u. Hausmusik 18 (Streich-Trio, Part.). Die Hausmusik ist eine Beilage zur “Musikantengilde,” verschiedene Autoren darin. Haben Sie meine Sonaten für Geige allein (Hausmusik 9/10)?16 Kallmeyer, der Inhaber des I. Zwisslerverlags, ist ein netter u. lieber Mensch, leider hat er {9} nicht so viel Geld, daß er in dieser Zeit viel herausbringen könnte, sonst würde er gewiß mehr von mir verlegen. Kammermusik IV bis VI ist ja, wie ich schon schrieb, durch Geschenke ermöglicht worden, wie auch die Lieder des Narren in Was ihr wollt. Kammermusik II müßte eigentlich die Spieler der Streichinstrumente anziehen, da diese Suiten, wirkliche Duette mit Klavierbegleitung, den Streichern größeren Atem gestalten als der Stil der klassischen Klaviertrios im allgemeinen tut. Das wäre doch, wenns schon die fertigen Virtuosen nicht in ihre Programme nehmen wollen, eine schöne Sache für Konzertprogramme der Musikschulen. Vorigen Winter spielten wirs in Leipzig, dazu noch 3 Serenade für Streichtrio; dazwischen spielte ich die Präludium u. Fuge C-moll aus m. {10} IV. Klavierheft. –17

Der Sozialismus muß kommen, ob man ihn liebt oder nicht, als geschichtliche Notwendigkeit, und wenn man sich gegen ihn stemmt, wird er nur giftiger kommen.18 So scheint es mir. Die Bayern richten Unheil an, ob sie siegen oder unterliegen oder sich zurückziehen.19 Wenn Deutschland auseinanderfallen will, so existiert es schon nicht mehr, leimen kann man ein Volk nicht.

Herzlich grüßt Sie Ihr

[ _sign’d:) ] A. Halm

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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January 22, 1924

OJ 11/35, 22 : 1-22-24

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated January 22, 1924

Wickersdorf bei [/] Saalfeld-Saale
22. I. 24

Sehr verehrter Herr Professor!

Ganz gewiß will ich Sie nicht um eine Antwort drängen, möchte nur sicher sein. Ich nehme an, daß Sie meinen Brief (d.i. die Antwort auf Ihre freundliche Postkarte)1 u. einstweilen auch meine Quartett-Partitur2 erhalten haben, die Ihnen Herr Reichling3 überbringen wollte. Ich halte es für möglich, daß ein Brief von Ihnen verloren ging u. teile Ihnen mit, daß ich seither keine Nachricht von Ihnen erhalten {2} habe. Falls Sie aber noch gar nicht zum Schreiben kommen, so ist alles in Ordnung, u es eilt nicht im geringsten.

Sie erwähnten einmal in einem Brief den Herrn Dr. Oppel in Kiel.4 Ich erhielt einmal eine Aufforderung, mich an der Drucklegung seiner Werke zu beteiligen; diese war so abefaßt, daß ich der Sache nicht traute; gar kein Niveau (z.B. seine Musik gegen die Léhars ausgespielt!). Nun scheint aber nach Ihrer damaligen Bemerkung doch etwas von Wichtigkeit vorzuliegen. {3} Können Sie mir bei nächster Gelegenheit in Kürze etwas Richtunggebendes darüber sagen? Und wer ist der “hochbegabte Tondichter”,5 den Sie in dem Abschnitt über das Fisdurpräludium v. Bach erwähnen? (Übrigens hätte ich dessen falsche Antwort auch gegeben; u. aber Ihre Deutung hat mich [?] als die viel bessere angesprochen.)

Herzlich grüßt Sie

Ihr
[ sign’d: ] A. Halm

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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February 6, 1924

OC 12/10-12 : 2-6-24

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated February 1–6, 1924

[written in upper left corner: Erschrecken Sie nicht vor dem langen Brief, nichts darin hat Eile!]

1.–6. II. 24

Lieber und verehrter Herr Professor!

Mit grossem Dank würde ich Ihre Beethoven-Ausgabe annehmen. Ich besitze davon die zuerst herausgegebenen Sonaten op. 109, 110, 111; sonst keine. Die 2. Aufl.des Kulturbuchs u. des Bruckner-buchs sende ich Ihnen als Drucksache. Sie schreiben mir doch noch, was Sie von meiner Kammermusik schon haben, u. ob Ihnen an den Stimmen zu dem A-dur-Quartett gelegen ist. Die Hefte Tonwille wurden mir bisher immer vom Verlag zugesandt.

Das Improvisieren als Grund u. Trieb des Schaffens ist mir schon lang wichtig gewesen u. Ihre verschiedenen Ausführungen u. Bermerkungen nach dieser Richtung haben diese Einsicht bestärkt u. erhellt; auch das Bewußtsein, daß es mir hierin fehlt u. daß man das auch meiner Musik anspüren müßte, hat mir nicht gemangelt. Ich habe auch mit der Zeit da einiges gelernt u. manchmal auch so improvisieren können, daß ich selbst dachte, daß man es anhören kann. Andere dachten schon besser darüber u. meinten, es sei irgend ein fertig komponiertes Stück "von wem"! Aber ich weiß selbst besser Bescheid darum. Neulich habe ich (das zweitemal in meinem Leben) eine Fuge so improvisiert, so daß ich leidlich zufrieden war. Was mir zu anfang fehlte u. ich erst mühsam erwerben mußte, ist das gute Figurenwerk, u. es sollte mich nicht wundern, wenn das immer noch nicht auf der {2} Höhe wäre. Aber, aber lieber Herr Professor, ich hatte schon zu Anfang Schwierigkeiten mit meinen Vorbildern; teils verstand ich sie nicht u. unterschätzte deshalb ihre Figurenkunst, [written vertically in the left margin: teils ist sie mir auch jetzt noch nicht überzeugend,] teils vermißte ich das, was Figurenkunst erschwert, u. suchte das selbst—noch heute bin ich mit den Klassikern nicht im Reinen; ich kann sagen, daß ich sie immer mehr bewundern gelernt habe (sehr auch durch Sie!), u. daß sie mir deshalb doch nicht wahrscheinlich näher (oder ich ihnen) kommen. Beethovens V. Sÿmphonie habe ich schon geradezu gehaßt—nein, aber als Feind empfunden heut ist sie mir völlig fremd, u. wenn zehnmal stimmt, was Sie über sie sagen—meinetwegen, ich bin bereit, (u. war es immer) sie genial zu finden. Sehen Sie, ich habe einfach das Bedürfnis nach einer gewissen Lebenshaltung, Rasse der Musik, Körperlichkeit,1 die sich für mein Empfinden vor allem in der dÿnamischen Rhythmik ausdrückt—alle Künste, ja auch alle Kunst der Stimmführung ersetzen mir nicht, was ich hier vermiße, befreunde mich nicht, wenn mich hier was abstößt. Diese Körperlichkeit suche ich in meiner Musik zu verwirklichen, u. bin ihr, nach meinem eigenen Urteil, so nahe gekommen, daß man sie sehen, mitfühlen kann. {3} Das ist mir vor allem wichtig. Mängel der einzelnen Gestalten suche ich zu vermeiden, oder zu heilen—manches mag auch dem Tÿpus selbst anhaften, also unvermeidlich sein; das ist nicht immer leicht zu entscheiden. Ich bin, glaube ich, größter Aufrichtigkeit meinen Werken gegenüber fähig, u. ebenso, Aufrichtigkeit von anderer Seite zu schätzen, auch wenn es gegen meine Musik lautet. Meine musikalische Begabung schätze ich vorsichtig ein; einfachste Dinge sind mir manchmal so schwer geworden zu finden, daß ich mich kaum über dem guten Durchschnitt seh[e] (zu Zeiten war es ja auch wieder besser damit bestellt). Meine künstlerische, produktive Veranlagung dagegen—an die glaube ich einfach, u. seit langem schon ohne Wanken. Oder ich glaube an das Bild von Musik, dem ich nachstrebe—nicht glaube ich, um ein Beispiel zu nennen, an das von Brahms erstrebte sei es nun daß dieser es vollkommen oder unvollkommen dargestellt hat (Ich bin dieser Frage auch noch nicht nachgegangen. Ein Anfang wie der seiner F-dur Symphonie, F-moll sonate, genügt, um mich ganz zu befremden; sein Requiem ist mir zu einem großen Teil fast peinigend, zum teil unerträglich.)

{4} Daß Sie Brahms so hoch stellen, hatte mir zuerst einen ziemlich empfindlichen Stoß gegeben, u. auch heute noch denke ich: sollten Sie vielleicht in diesem Punkt u. nur die natura naturata, nicht aber die natura naturans sehen?2 Zugegeben daß ich die erstere hier ungenügend, im Vergleich zu Ihnen sogar ganz ungenügend sehe—warum aber kenne ich Brahms so ungenügend? weil er mich nicht auffordert, ihn nachzugehen. Beethoven, mir neulich ganz fremd geworden, läßt mich doch nie los, gehört zu meinem Gewissen, ist mir als Massgebend noch wichtiger als etwa Mozart, war mir oft ein mahnendes (sozusagen mein böses) Gewissen. Es kann braucht also doch nicht blosse Beschränktheit, Befangenheit von eigenem Bild zu sein, wenn ich irgendwo nicht anpacken will, wollen kann. Bruckners Musikbild ist ja auch ein sehr anderes als meines (u. ich halte es für ein wesentlich höheres als das meine!) [Übrigens: Sie haben ja vielleicht auch Bruckners Improvisationen auf der Orgel gehört, die so hoch gerühmt wurden. Ich möchte gern wissen, ob Sie diese auch so hoch stellen, gerade seine Fugen-Improvisationen, ich meine nach der technischen Seite. Nicht als ob ich ihm da nicht Gutes u. sehr Gutes zutraute, aber den Berichterstattern traue ich nicht u. möchte deshalb jemand fragen können, dem ich Zutrauen schenke.] Damit bin ich nun bei der bösen Akkordfolge, noch mehr Modulationsfolge [written vertically in the left margin: (was beides ich nämlich bei Bruckner am schönsten u. edelsten erfüllt sehe)] {5} angelangt. Sie ist, selbständig, eigenmächtig, eigensüchtig geworden, Gefahr, u. hat auch Edeles zerstört, hat richtige Verdummung in die Musik gebracht (Regers Musik kann ich im ganzen [written vertically in the left margin: (ich kenne aber nur sehr wenig von ihm)]3 nicht anders als dumm nennen—aber hätte er sich, wäre er in eine andere Zeit geraten, nicht irgend eine andere Dummheit ausgesucht, hätte er nicht etwas anderes Gutes verdummt? ist er ein Opfer der Akkordfolge, u. nicht vielmehr eben seiner Unintelligenz?) Ich kenne leider aus Erfahrung an anderen u. auch an mir selbst das wüste Improvisieren, bei dem, durch sinnloses Aneinanderreihen von (sei es auch schönen) Folgen eine Art von Froschlaich entsteht, u. leider schreiben viele auch so. Die Frage ist, ob diese geschichtliche Notwendigkeit einen Übergang bedeuten kann, ob diese Kräfte, die da ans Licht drängten, überwunden, verwertet, gehoben werden können—einfach ausschalten, ignorieren geht nicht an, u. auch auf die Finger klopfen hilft nicht viel—"soweit darfst, soweit darfst du nicht." Ich bin sehr für klarste Bilanz; man soll wissen was man anrichtet, wo man fehlt, sei es notwendig, sei es vermiedlich. Und wenn wir uns sprechen könnten, so würde ich Sie sehr bitten, mir genau einzelne Stellen als Beispiele dafür, {6} wo u. wie ich versage, anzugeben. Schriftlich ist das zu umständlich, als daß ich Sie darum bitten möchte. Dagegen mache ich einen Vorschlag: wollen Sie nicht einmal in einem Aufsatz in den Tonwille-Heften, wenn Sie bei mir (oder bei Oppel oder sonstwo) ein besonders instruktives Beispiel für Versagen, Durchlöcherung, Brüchigkeit, eine Stelle, bei der man sagen kann: hier offenbart sich das Nicht-Genie—wenn Sie solches finden, eine solche Stelle besprechen? Gerade bei einer Musik, die sonst nahe an gute herankommt, oder sonst gut wäre, möchte das besonders aufschlußreich sein. Sie werden diesen Wunsch nicht mißverstehen, so etwa als ob ich wenigstens einen öffentlichen Tadel einheimsen wolle, wenn ich schon kein öffentliches Lob ernte. Ich glaube nicht, daß ich jeden Tadel annehmen, d.h. verwerten kann, auch wenn er mich überzeugt. Wie viel habe ich schon an den großen Meistern angreifbar gefunden, ohne daß ich deshalb dachte, es sei eine Korrektur möglich. Wo ich mirs zutraue, besseres zu finden, versuche ichs; ich habe neulich die erste Fuge meines ersten Klavierhefts, {7} daran teils ungeschickter teils schlechter Kontrapunkt mir schon lang auf der Seele lag, fast ganz neu gearbeitet, ob mit gutem Gelingen, will ich jetzt noch nicht entscheiden. Mein Vorschlag ist nur ganz ernst, u. wenn Sie auch meinen, daß Sie hiemit größere Klarheit auch für andere schaffen, [written inverted in the top margin: (das müßte doch viel besser sein als wenn Sie offenkundig Nichtiges als Gegensatz erwähnen),] so möchte ich jedenfalls erklären, daß ein Tadel von Ihnen mir jedenfalls ernster Erwägung wert ist, daß meine Schätzung Ihres Werks durch Ihre bedingte Anerkennung u. auch durch stärkere Ablehnung meiner Musik nicht getrübt würde (das spielte gewiß für mich eine weit geringere Rolle als Ihre Zweifel an Bruckner, Ihr Nicht-Zweifeln an Brahms u. ähnliches.), u. daß ich persönlich fast gleichgültig dagegen bin, ob meiner Musik das Prädikat genial oder nicht genial zukommt, vielleicht sogar ganz gleichgültig. Was ich wünsche ist nur daß sie gekannt u. gespielt wird, damit sie wenigstens einmal ihre Kraft, ihre Wertungsmöglichkeit erproben kann, ich denke da nicht an Wirkung "auf," sondern an die Einwirkung des Bilds, sozusagen Zeugungskraft der Idee, aus der diese Musik stammt. Wenn ich aber nun, wie ich durchaus annehme, {8} Ihnen meine eigene Musik sehr zu überschätzen scheine, so ist es vielleicht umgekehrt möglich, daß das Ihre Sympathie für mich trübt. Darauf muß ichs nun ankommen lassen, d.h. gerade nach Ihren Äußerungen müßte ich Farbe bekennen [written vertically in left margin: (ich habe noch nicht einmal alles gesagt, aber wohl immerhin schon genug),] denn Ihre mir so wertvolle Teilnahme darf nicht auf einer Täuschung beruhen. Es wäre sogar vielleicht jetzt an der Zeit u. könnte wirklich von Wert sein, wenn wir einmal öffentlich einen Kampf* [written between end of letter and post script: (* aber nicht um meine Musik!)] ausföchten—aber ich will nicht mehr schriftstellern, wenn ich nicht gerade muß.)

Herzlich grüße ich Sie,

Ihr
[ sign’d: ] A. Halm

Ja, ich hätte viel auf dem Herzen gegen Sie u. es könnte mich wirklich noch einer Fehde gelüsten, in der einmal zwei Gegner miteinander das Rechte suchen wollen, nicht aber Recht behalten wollen. Sie besprechen einmal den Anfangsakkord des Scherzos der 9. Bruckner-Sÿmphonie. Warum blicken Sie da nicht auch ins Weitere? Im 35. Takt erscheint er wieder in seiner 2. Umkehrung— {9} (wie fein ist die 1. Umk. umgangen, unkenntlich gemacht!)—alles dazwischenliegende ist Durchgang,[written in top margin: u. alles zusammengehalten durch den fest bleibenden Leitton cis]—ähnlicher (für mich aber schönerer) Fall wie im Anfang der C-mollsonata, op. 111. Und wieviel Feinheiten in der harmon. Rhythmik, dann noch die Komplikation der 2. Umkehrung mit scheinbarer [corr.] [music example] Erinnerung an die noch stark im Gedächtnis stehende Rückung gegen den Schluß des ersten Satzes Es-moll D-moll Akkord, u. den immer wieder sich aufzwingenden Esdur Akkord unmittelbar vor dem letzten Dmoll des ersten Satzes.

Noch eine Frage: Mein Buch “Von Gränzen u. Ländern der Musik” (es sind gesammelte Aufsätze, unter diesem, wie mir zuverlässige Leute sagen, sehr unglücklichen Titel—ich wollte damit nur ausdrücken, daß ich mich auch auf die Peripherie u. zum Teil auch außer sie begeben habe).4 Kennen Sie anscheinend nicht. Ich habe Sie einmal auf eine Abhandlung Stelle über die merkwürdigen sforzato (die für den ersten Blick an falscher Stelle stehen) im Finale der Dmoll Sonata op. 31 hingewiesen. Oder haben Sie das Buch doch? Ich besitze kein Exemplar mehr, würde aber m. Verleger veranlassen es Ihnen zu senden. Über manches darin werden Sie sich ja wohl ärgern müssen.

{10} Brahms: Sie werden mich noch nicht ohne weiteres für blind u. taub halten.5 Wie gern bewundere ich die erste tonartlich Exposition im Cmoll Quartett. Aber die Geste des Themas! Nein, u. zehnmal nein. Und kein Bißchen Ja dabei. Die Geste*, die Geste; die mangelnde Körperlichkeit! Sie* ist mir bei Beethoven auch häufig feindlich—aber doch auch da überzeugend, naturhaft, "wie seiend"!6

Dann noch eine Bitte: lesen Sie in dem Brucknerbuch (auch wenn Sie die 1. Auflage schon kennen) zuerst die Analyse S. 147 usw., die ich erheblich verbessert habe. Dann den ebenfalls verbesserten Abschnitt S. 173 usw., dann das Nachwort (S. 242)5.

Der Brief hat nun schon seinen ungeordneten Tagebuchcharakter; ich will also noch einen Punkt betrachten. Sehen Sie, fast alle unsere grossen Meister konnten nicht geigen, u. ich spüre das. Mozart konnte auch geigen, wahrscheinlich konnte er viel, Haydn vermutlich desgleichen—aber "im Nebenamt" beide. Beethoven konnte kaum geigen (ich weiß schon, ich weiß schon). Händel konnte, ja, aber Bach allein konnte wirklich {11} geigen, von ganzem Herzen u. Geblüt. Ich bin überzeugt, daß er selbst seine Solosonaten mit Genuß u. mit Überlegenheit sich selbst gespielt hat. Sollte ich mich da täuschen, so ists nicht von größter Wichtigkeit: jedenfalls sind diese Sonaten so aus dem Griff der Geige geboren, wie sonst nichts in der ganzen Literatur. Bach allein fühlte (außer dem was die andern auch fühlten) die jugendliche Schnellkraft, die Quellkraft des Geigentons (am nächsten, aber noch in sehr sehr großem Abstand von ihm fernbleibend kommt ihm da, wie mir scheint, Haÿdn. [Beiläufig gesagt, es ist mir ein grosser Trost, daß Sie oft u. mit so viel Liebe von Haydn sprechen, ich wünschte manchmal über ihn zu schreiben, das gehört zu den Dingen die ich mir versage.] Wenn Sie vom Improvisieren sprechen, denken Sie vermutlich ans Klavier oder etwa die Orgel. Wenn ich auf dem Klavier improvisierte, so war ich, wie gesagt, meistens unzufrieden mit mir; aber geradezu kläglich kam ich mir vor, wenn ichs auf der Geige versuchte (auch damit ists besser geworden, aber das Verhältnis des einen zum anderen gab mir sehr zu denken). Haben Sie schon bemerkt, daß die Geiger, wenn sie ein Instrument {12} probieren, fast ausnahmslos (mir ist meines Erinnerns noch keine Ausnahme begegnet) in Moll "fantasieren"? Daß es meistens Dmoll ist, hat technischen Grund, weil sie den Quartschritt a-d so schön auf der G-Seite schleifen können (oder noch schöner a-cis mit dem 1. Finger); aber daß es Moll ist: ja, weil ihnen keine Melodik zu gebot steht, deshalb wird Pathos u. Tragik vor die Leere vorgeschüft. wird. Die Geige ist der strengste Prüfstein für melodisches Gold. Anders gesehen: glauben Sie ernstlich, daß Beethoven, ja auch Mozart, eine ganze Sonate für Geige allein hätte schreiben können? Ich nicht; ich glaube sogar positiv, daß sie es nicht hätten können—es sei denn nach vorhergegangener Bußübung, ja auch sogar erst nach einer ausgesprochenen μετάνοια. Damit es keinen Irrtum gibt: meine Sonaten für Geige allein sind kleine, bescheidene Musik, wollen durchaus nicht konkurrieren; die von Reger, soweit ich sie kenne, sind ein Mißverständnis.

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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April 1, 1924

OC 12/13-14 : 3-15/4-1-24

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated March 15 and April 1, 1924

15. III. 24

Lieber, verehrter Herr Professor!

Ich beginne meinen Brief mit einem Angriff bzw. mit Abwehr. Was Sie in dem Heft 5 Tonwille über Berlioz schreiben,1 will ich bei nächster Gelegenheit öffentlich abweisen, möchte aber doch zuerst u. zunächst persönlich meinem Empfinden Ausdruck geben, daß so abschätzige Verurteilung nicht ohne genaues Namhaftmachen des Gemeinten, oder, wenn Sie die gesamte Melodik von Berlioz meinen, ohne das ausdrücklich zu sagen, angängig ist; Beispiele wären hier nötig, u. sie sollten besprochen, das Verunglückte sollte {2} aufgezeigt werden. Und auch dann ist zu erwägen, ob mit weniger heftigen Ausdrücken nicht dieselbe Klarheit geschaffen werden kann. Sie können mir glauben, daß ich bei Brahms manches albern finde, könnte wenn ich meiner natürlichen Abneigung gegen ihn nachgebe; öffentlich möchte ich das doch nicht tun, wenn es nicht unbedingt nötig ist—das ist es auch nicht, denn im ganzen sehe ich doch seine Lebensarbeit im Hintergrund.

{3} Wenn Berlioz ungeschickt ist, ist mirs immer noch wohler zu mut als bei der leidigen Gewandtheit Mendelsohns. Und von einem Teil meiner Melodik sage ich, daß das Beste von Berlioz stammt; ich glaube schon lang, daß ich der erste bin der gemerkt hat, daß man gerade in der Melodik von Berlioz lernen kann, u. ich will, wenn's zutrifft, stolz darauf sein. Außerdem hat Berlioz so Einzigartiges, Unnachahmliches, daß ich ohne große Dankbarkeit gar nicht {4} an ihn denken kann. Wo er mir schwach erscheint, vergesse ich jenes diese doch nicht; mein Urteil trübt sie aber nicht.

Im übrigen will ich gerade das was Sie über Beethovens V. Sÿmphonie in dieser Nummer schreiben, sobald ich kann, genauer durchnehmen, schon aus Gerechtigkeitsgefühl u. sozusagen zur eigenen Erziehung u. Prüfung, weil mir eben diese Sÿmphonie die fremdste, die eigentlich feindliche unter den Sÿmphonien Beethovens ist. Die Klaviersonaten, 4 Bände, habe ich erhalten u. ich danke Ihnen sehr[,]|2

{5} daß Sie mir diese wertvolle Gabe haben zukommen lassen. In Ihrem Brief3 hoffe ich nun bald Ihre Wünsche, meine Musik betreffend, zu finden. Ich sende sie Ihnen besonders gern (auch wenn Sie nicht so gut über sie denken wie ich selbst). Gegenwärtig ist meine Musik zum Sommernachtstraum beim Stechen, in den nächsten Tagen soll die zum Wintermärchen dazu kommen,4 alle meine Schauspiel-Musiken sind für kleine Besatzung, d.h. für unser Schulorchester geschrieben.

Mit herzlichen Grüßen,
Ihr
[ signed: ] A. Halm

{6} Nicht wahr Sie schreiben mir auch, ob Sie die Stimmen zu meinem A-dur-Quartett gern haben möchten.

Nachschrift 1. IV. 24. Ja, schließlich soll man natürlich sagen was man für wahr hält, aber doch so, daß man damit was ausrichtet. Einem Anhänger von Berlioz (übrigens: gibt es denn davon so viele, daß eine Bekehrungszug notwendig, auch bei Ihrer Auffassung?) wird doch durch solche Werte nicht zu ruhiger Prüfung seines Standpunkts veranlaßt.

Wie gesagt, ich gebe diese u. jene Schwächen von Berlioz ohne weiteres zu. Aber er ist mir eitel, selbstgefällig—ich finde diese Züge manchmal bei Brahms. Und dann: ist so eine Melodie wie "Rosen brach ich nachts mir" [op. 94, no. 4]; "Holder klingt der Vogelsang" [op. 71, no. 5]5 etwa weniger albern als die verunglückte Melodie von Berlioz?

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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May 6, 1924

OC 12/15-17 : 5-6-24

Handwritten letter from Halm to Schenker dated May 6, 1924

7. IV. 24.

Lieber u. verehrter Herr Professor!

So war das mit der Öffentlichkeit von mir nicht gemeint, daß die Leserschaft als Instanz gelten soll, sondern so, daß sie sehen soll, wie eine anständig geführte Fehde aussieht, in der ein Gegner auch mal gern Unrecht hat, d.h. dankbar ist wenn er bessere Einsicht bekennt. Wenn Sie sich aber die Mühe machen, mir in einem Brief diese u. jene Stelle zu zeigen, wo ich ausrutschte, u. die Nichtgenialität meiner Musik {2} sich offenbart, so ist mirs auch so recht. Es sind nicht viele Fälle nötig aufzuweisen, denn ich vermute von vornherein, daß mir das fehlt was Sie meinen, oder ich halte es doch für sehr möglich.2 “Vordergrundmusik” – ein guter Ausdruck, den ich, je nach Befund, wohl auch für meine Musik akzeptieren würde mit viel Bescheidenheit sowohl als mit etwas Stolz, d.h.: ich glaube schon lang, daß das Vordergründliche oder Oberflächlichige über dem {3} Hinter- u. Untergründlichen, oder die Körperlichkeit über dem Geistigen vernachlässigt worden ist.3 Sie sagen dagegen: alles ist nur ein Körper, u. darin liegt gerade die Genialiatät. Zugegeben: aber darum doch noch nicht eo ipso die Schönheit – die ist auch Etwas! Unschöne Phsyiognomie, Körperteile sind biologisch ebenso ein Wunder wie schöne. Gefühl: werde ich keineswegs ausschalten, spreche aber, wie sichs gehört, nur privatim davon. Die Erkenntnis, die Tatsachen aufzeigt, wird ja doch auch vom Gefühl geleitet. Die Tatsachen präsentiert man dann in der Hoffnung, oder auf gut Glück, daß sie bei dem Leser ins {4} Gefühl zurückleiten, dieses speisen. Tatsachen: ich habe stets gesagt: was ich über Beethovens Musik schreibe, halte ich für unwiederlegbar; dagegen bin ich stets gewärtig, daß noch andere Gewichte in die Wagschalen geworfen werden; das Steigen u. Sinken dieser ist nicht endgiltig. Was Sie von Beethoven anführen, ist mir, fast alles, wertvoll, ich bewundere es, zum Teil beglückt es mich, so z.B. eben die in Ihrem letzten Brief angeführte Stelle.

Religiöses Gefühl gegenüber der Musik: eben aus diesem heraus meine ich die Musik sei an sich geistig, u. man müßte sie nicht noch extra vergeistigen. Die unmittelbare Erscheinung, der Vordergrund, ist mir deshalb so wichtig. Bruckner hat die Unschuld wiedergewonnen (die Klassiker hatten’s zu eilig). Seine Volltaktigkeit, seine Solidität (Anfang mit I,,) rechne ich ihm gerade zur Größe an. Was Sie erzählen (von der Steigerung) ist gewiß scheint zuerst tief bedenklich, {5} macht micht aber nicht irre [written in the left margin, top to bottom: Einfachste Erklärung: Er schätzte Sie u. wollte Ihnen eine schöne Stelle zeigen u. tat dies unter ungeschicktem Vorwand.] – ich sehe zuviel von Struktur u. Bewußtheit, Willen u. Können – ich habe da doch wohl einen ordentlich gefüllten Sack voll Tatsachen herbeigeschleppt – u. könnte noch manche Bögen füllen. Aber wäre es selbst so, daß es sich nur um “herrliche Musikbilder” handelte – das ist ja vor allem das, was uns nach den Klassikern nottat; Musik der reinen Gegenwart. Aber wie gesagt, ich bestreite, daß es bloß das ist, u. glaube das Gegenteil erwiesen zu haben.

Dr. Kurth,4 Ich denke, er sagt doch wohl einiges mehr als wie Sie es darstellen, u. dieses Mehr scheint mir wichtig. Der “Stoß,” den Sie führten, hat mir also sein Bild nicht umgeworfen, aber {6} Sie dürfen keine Sorge haben, daß ich so was nicht aushielte. Was mir einer umwerfen kann, das mag nur umfallen; sowohl meine eigene Musik als ihre Stützen u. Hilfen. Es freut mich immer, wenn jemand meine Musik gefällt; beweise man mir, daß er nichts versteht, so ist mirs doch willkommen, ihm Freude zu bereiten. [written vertically in the left margin, top to bottom: Es ist gewiß möglich, daß jemand meine Musik gefällt, der wenig von Musik versteht, ja auch jemand, der diese meine Musik selbst nicht versteht.] Schon lang, schon beim ersten Kennenlernen Ihrer Schriften, merkte ich den Unterschied; Sie sind viel mehr esoterisch als ich.

— Die Quartettstimmen5 sende ich demnächst ab. Wenn Sie bei einer Probe zuhören, so beeinflussen Sie doch, so gut es geht, die Spieler, daß sie {7} nicht hetzen. Im allgemeinen finde ich, daß die Spieler stets schnelleres Tempo nehmen als ich es meine (Temperaments-Surrogat!). Von Grenzen u. Ländern6 will ich Ihnen durch den Verlag zusenden lassen. Noch nicht geschrieben haben Sie mir, was Sie von meiner Kammermusik nicht haben (IV., V. Heft?).7 [written in the top margin, inverted: Am liebsten ließe ich Ihnen die Stimmen mit den andern Heften zusammen zusenden, also bitte schreiben Siebald darüber.]8

Einen Beitrag für Drucklegungen nehme ich, wenn Sie eine entsprechend[e] Stiftung, oder ähnl., zur Verfügung haben, gern an9 – ich darf doch aus dem Angebot (wenn ein solches mal in betracht kommt) schließen, daß Sie m. Musik veröffentlicht wünschen, u. daß Ihnen nicht eine andere bekannt ist, die es nach Ihrem Urteil mehr {8} verdient als meine. Immerhin denke ich, Sie sollten in solchem Fall, wo Sie z.B. entschieden haben, etwas von Ihren Schriften veröffentlichen, wo die Verleger versagen oder gar hindern (ich habe mit Bedauern u. aufrichtiger Teilnahme von Ihren Schwierigkeiten mit dieser Gesellschaft10 gelesen u. kann mir wohl denken, daß Sie da nur eine kleine Vorhang-Spalte von einer sehr unsauberen Geschäftsbühne geöffnet haben.). Es kann nicht anders sein, als daß Sie Ihre Schriften für die Musik für wichtiger halten als meine Musik, u. danach müßten Sie entscheiden u. handeln. Das wäre nun doch wahrhaftig keine Eigensucht.

{9} Sie schreiben, daß Sie mir wohl schon mitgeteilt hätten, “wie Bruckner mühsam die Figuren auf den Klang abgestimmt habe.”11 Das ist noch nicht geschehen, es wird mich sehr interessieren, sehr, u. ich bitte Sie, es mir zu schreiben [written vertically in the left margin, bottom to top: Oder erwähnen Sie doch einmal Beispiele davon in einem Heft “Tonwille”.] auch wenn Sie nunmehr annehmen werden, daß ich mich von meinem Standpunkt dadurch nicht abbringen lasse. Denn schließlich kommts doch auf das Resultat der Mühsal an; wie auch bei Beethoven, der mir in seinen Skizzen auch {10} (14.IV.24) manchmal unerwartet ungeschickt erscheint.12

Zum Anfang zurück: ich halte es nach dem, was ich so beobachte (gelegentlich, denn ich studiere meine Sachen nicht so wie die andern), immerhin für möglich, daß eine schöne Urlinie in ihnen nachgewiesen werden könnte, auch das Gegenteil mag möglich sein. Mein wirkliches bewußtes Arbeiten (so wie der Maler Kompositionsstudien,, von dem Bild macht) betrifft hauptsächlich die Harmonik, das andere suche ich, bis ich etwas finde was mich zufriedenstellt – ohne so eingehende Arbeit wie beim {11} Harmonischen. Da ich aber auch hinsichtlich der Linie sehr empfindlich [written at the bottom of the page: Sie sagen wohl, ich sei zu wenig empfindlich, zu wenig hellhörig – ich versuche nicht, Ihnen meine Meinung hierüber? aufzudrängen u. meine das jetzt rein praktisch: ich bin tatsächlich empfindlich, ob ich nun falsch oder richtig empfinde.] gegen ungenügende Weiterführung bin, so vermute ich, daß irgend eine Synthese vorhanden sein muß, vielleicht die Urlinie, vielleicht eine unbekannte.

Vorgestern kam op. 101, nehmen Sie herzlichen Dank.

6.V.24

Eine Osterreise kam dazwischen: bei einer Jugendtagung in Hildesheim, die Dr. Wyneken leitete, waren 4 Abende meiner Musik gewidmet;

{12} vorher hatte ich mancherlei mit Vorbereitungen dazu zu tun. Nun hätte ich ja manches noch zu sagen, aber der Brief soll nun endlich fort.

Ich sage Ihnen herzliche Grüße.

Ihr
[ sign'd: ] A. Halm

Reger:13 Ich meine, gegen ihn ist soviel zu sagen (u. für ihn hat meines Wissens keiner seiner Anhänger etwas Greifbares u. Habhaftes gesagt), daß es mir fast unnötig erscheint, daß Sie sich damit abgeben. Das Beihnahe wäre interessanter, aufschlußreicher—ich verstehe, daß dieses Beinahe nach Ihren Einstellung gerade eine [written vertically in the left margin, top to bottom: Wesens- also Riesen-Unterschied Distanz bedeuten muß. [corr to:] Wesens-Unterschied also Riesen-Distanz bedeuten muß.]

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© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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April 15, 1925

OJ 11/35, 23 : 4-6/15-25

Handwritten letter from Halm to Schenker, dated April 6/15, 1925

6/15.IV.25

Lieber u. verehrter Herr Professor!

Es ist mir immer wieder leid gewesen, daß ich Ihnen nicht schrieb. Die Zeit bis zu den Osterferien war in mancher Hinsicht ungünstig dafür; eine der Behinderungen aber war erfreulich: ich hatte die Aufführung meiner A dur-Sÿmphonie vorzubereiten, d.h. die Stimmen dazu zu schreiben. Am 23. war die Aufführung; Leonhardt in Stuttgart dirigierte sie sehr gut, u. ich hatte, wenn auch schon in den vorhergehenden Proben, die größte Freude an dieser meiner Musik u. ihrem Klang.1

Zu Ihrer Übersiedlung in den neuen Verlag2 wünsche ich Ihnen u. Ihren Lesern alles Gute; mögen die unnötigen zeitraubenden u. nervenaufreibenden Schwierigkeiten nun alle wegfallen u. nur die sachlich notwendige Mühe, der man sich ja gern unterzieht, übrig bleiben! Sie dürfen nicht denken, daß mir {2} das Schicksal Ihrer Arbeit nicht am Herzen liegt, weil ich lang nicht schrieb. Ich hatte bewegte Zeit: Meine Pflichten in der Freien Schulgemeinde hatten sich stark vermehrt u. außerdem war eine Übergangszeit mit mancherlei Kämpfen, die wir nun wohl als endgültig beseitigt ansehen dürfen; eine Gruppe von Lehrern hat hier eine Neugründung an der Nordsee auf der Insel Jüst vorbereitet u. ist nun zu Ostern abgezogen. Die Trennung sollte in kamaradschaftlicher Gesinnung vor sich gehen; trotzdem war es eine starke Belastung unseres Gemeinschaftslebens. Die wenige freie Zeit mußte ich dazu verwenden, die Stimmen einer Sÿmphonie auszuschreiben, die Professor Leonhardt in Stuttgart—ja das schrieb ich ja schon, wie ich eben sehe. Dann kam noch ein Jugendtagung in Halle, von der ich gestern zurückkehrte. Hat sich Professor Pollak einstweilen ein- [remainder cut off]

[written vertically in the left margin, top to bottom:
Herzlichen Gruß von Ihrem

[sign’d:] A. Halm]

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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August 11, 1926

OJ 11/35, 24 : 8-1-26

Handwritten postcard from Halm to Schenker, dated August 11, 1926

{recto}
Postkarte

Absender: [stamp:] A. Halm, Wickersdorf bei Saalfeld

[An:] Herrn Professor [/] Dr. Heinrich Schenker
Galtür [/] Tirol

[postmark:] || SAALFELD | (Saale) 2 | 11.8.26.6.7N | * der Feengrotten * ||

{verso}

11.VIII.26

Lieber u. verehrter Herr Professor!

Ihr Buch: “Das Meisterwerk”1 habe ich nach meiner Rückkehr, etwa am 6.VIII, erhalten, habe auch die Korrektur meiner Behauptung schon zur Kenntnis genommen. Ich kann mich aber jetzt darüber nicht äußern. Vorerst also nur herzlichen Dank für Ihre wertvolle Gabe! Mit besten Grüßen u. Wünschen

Ihr
[ sign’d: ] A. Halm.

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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November 22, 1927

OJ 11/35, 25 : 11-22-27

Handwritten postcard from Halm to Schenker, dated November 22, 1927

{recto}
Postkar[te]
Absender: [stamp:] A. Halm, Wickersdorf bei Saalfeld

[An:] Herrn Professor Dr. H. Schenker
in: Wien III.
Keilgasse 8

[postmark:] || SAALFELD | (Saale) 2 | [illeg].4.5R | * der Feengrotten * ||

[ for continuation of message, see below ]

{verso}
22.XI.27

Lieber u. verehrter Herr Professor!

Das JahrbuchII habe ich richtig[?] erhalten;1 zunächst kann ich unmöglich darin studieren, freue mich aber darauf, namentlich auf das über Bachs Fugen Ausgeführte.2 Zu dem Dank für diese Ihre Gabe bin ich Ihnen auch noch Dank für Ihre freundlichen Briefe schuldig—ich bin aber gesundheitlich nicht prima bestellt gegenwärtig, u. bin schrecklich im Rückstand mit eiligen Arbeiten (Neuauflage der Klavierübung).3 Also bitte ich Sie um freundliche Geduld. Ich weiss nicht mehr, ob ich Ihnen meine Bühnenmusik II (Viel Lärme um Nichts) gesandt habe.4

{recto} Wenn nicht, so bitte ich Sie um gelegentliche Nachricht.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
[ sign’d: ] A. Halm.

© In the public domain; published with the permission of the heirs of August Halm, March 2006.
© Transcription Lee Rothfarb, 2006.

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