Handwritten letter from Elias to Jeanette Schenker dated June 28, 1935
{envelope recto}
Wohlgeboren [/] Frau Professor LieLie Schenker
Hof Gastein 34/5
Kurhaus Dr. Loebel
[postmark:] || 15 WIEN 101 | 29.VI.35.19 | * [?] * ||
[written across lower left corner in another hand:]
Antwort
28.VII.35
Land Salzburg
{envelope verso}
A. Elias. Wien XIII Nikolausgasse 1.
{letter}
Wien, 28/VI-35
Liebe Frau Professor!
Vielen, herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen und die beigelegten, so traurig-schönen, Bilder, die ich mit den Heiligtümern, die ich schon besitze, in dankbarstem Gedenken aufbewahren werde.
Es hat mir außerordentlich {2} leid getan, Ihre letzten telefonischen Anrufe versäumt zu haben. Vorigen Mittwoch war ich abends noch mit Marianne Kahn auf dem Friedhof und kam dann spät nach Hause und Donnerstag war ich ausnahmsweise so früh, ausgeflogen. Als mir mein Hausherr gegen 11 Uhr[corr] Ihre Grüße ausrichtete, hatte ich leider nicht mehr die {3} Möglichkeit, Sie zu erreichen.
Es freut mich zu wissen, daß Sie in Hof-Gastein in jeder Weise gut untergebracht sind. Daß Sie all das Schöne dort nicht genießen können, fühle ich Ihnen nur zu sehr nach. Es ist Ihnen zu viel unwiederbringlich verloren gegangen! Und doch ist Ihnen um so vielmals geblieben als anderen Frauen! Hoffent- {4} lich hilft Ihnen Ihre schöne Arbeit über den schwersten Kummer hinweg und werden Sie in der frischen Luft die Erholung finden, die Sie so sehr benötigten.
Das Grabmal fand ich ganz besonders schön. Die ergreifende Zuschrift, die mit wenig Worten so viel sagt, kommt wunderbar zur Geltung und {5} das Emblem ist in der Größe schön angepaßt und, wenn auch nicht ganz plastisch, doch deutlich zu erkennen. Ich war gestern nochmals beim Grabe, um Ihnen berichten zu können, ob alles weitere nach Ihrem Wunsche ausgeführt wurde. Die Blumen in der Jardiniere nahmen sich sehr gut aus, der Stein war tadellos gereinigt, {6} vor demselben der Behälter mit Ihren Seerosen in die Erde eingepflanzt. Ich glaube Sie[corr] wären zufrieden gewesen.
Vor wenigen Tagen ist mir endlich der Aufsatz von Zuckerkandl zugesandt worden. Zuckerkandl dringt wohl auch nicht zur „Urlinie“ von Schenkers Künstlerschaft vor, doch ist das, was er zu sagen weiß {7} sehr, sehr schön, vielleicht das Schönste, das bisher über Schenker geschrieben wurde. Fanden Sie das nicht auch?
Sie waren so lieb, sich nach mir zu erkundigen. Nun, ich wohne in meinem neuen Heim so angenehm, daß ich einstweilen noch an keine Reise denke. Die tropische Hitze der letzten Tage war abnormal[corr] und dürfte {8} nicht andauern. So will ich vorläufig versuchen hier durchzuhalten. Ich habe mich jetzt viel und mit Begeisterung mit Schenkers Capriccio op 1 no 2 beschäftigt, dann auch die „Appassionata“ an der Hand des „Tonwille“ und der schönen Zeichen in meinem Notenheft wiederholt. Beim Lesen des „Freien Satzes“ staune ich immer {9} wieder über den Reichtum und die Schönheit der Bilder. Das Gefühl der Dankbarkeit wird immer größer und auch die Traurigkeit, den Schöpfer dieser Wunder nicht mehr unter uns zu wissen!
Ich hätte noch eine Bitte vorzubringen. Es war meine Absicht, Prof. Violin einmal {10} zu mir zu laden. Nun versuchte ich vergebens, ihn[corr] unter der alten Telefonnummer anzurufen. Würden Sie so lieb sein, mir mitzuteilen, wo ich ihn erreichen könnte?
Ich wünsche Ihnen nochmals eine recht gute Erholung und verbleibe mit den herzlichsten Grüßen
Ihre sehr ergebene
[ sign’d: ] Angi Elias
© In the public domain.
© Transcription Michaela Rejack 2006.