Handwritten letter from Schenker to Jonas, dated July 22, 1934
Böckstein
Bad Gastein
22. 7. 34
Geehrter, lieber Herr Dr Jonas!
Und wieder das herzlichste Lob voran! Unerwartet tapfer, eindringend, überredend, glücklich in der Wahl u. Lösung der Beispiele, kurz: hätte ich auch 4 solcher Leser u. Könner wie Sie, dann hätten ich u. Sie bald weitere Hunderte u. die Musik würde wieder ihre Augen aufschlagen.
Hob. ist schon seit Ende April nicht mehr in Garmisch. Er ist in ein kleines holländisches Bad (Bergen am See) gegangen, seine Adresse ist aber:
{2}
Rotterdam
p.a.G. van Aalen
Gondsche Singel 117 b
Unter dieser Adresse erreicht ihm alle Post, wie er mir schrieb.
Trotzdem Ftw. mir hierher eine Empfehlung für den armen Prof. Violin, der notgedrungen nach Jerusalem möchte, gern u. herzlich schrieb u. einsandte, glaubte ich an seine Verlässlichkeit doch nicht. Eine gewisse begreifliche Unsicherheit des Urteils spielt vielleicht auch mit; daß ich das Buch nicht kannte, als er in Wien bei mir war, wußte er ja, also konnte ich davon auch nicht sprechen, heute aber meine Meinung ihm zu schreiben, um ihm sein Urteil leichter u. sicherer zu machen, dazu ist es ja wieder zu spät. {3} Wollen Sie, bitte, den S. Verlag befragen, ob Otto Vrieslander| u. Prof. Oppel| sich unter den Subskribenten befinden, – sollte es nicht der Fall sein, na, denn wissen wir ja den Grund, dann würde es sich sehr empfehlen, den beiden vielverdienten[corr] Herren, die noch immer in unserer Sache leidenschaftlich wirken, “Rezensionsexemplare” zu senden.
O. Vrieslander, Locarno-Saldino Villa
Olga, Schweiz, Tessin.
Prof. Dr Rhd. Oppel, Leipzig, Könneritzstr. 58III
Es wäre sehr schön u. nützlich, wenn ich Sie hier sprechen könnte, wie Sie eben können, ultra possumus| usw.
In Bayreuth war ich nie. In jungen Jahren reichten meine Mittel nicht hin, {4} dann sagten mir die Wagnerianer niemals zu, ausgenommen Musiker wie Löwe, Schalk, Foll u. ä., die gern auch Brahms-Strahlen auf sich wirken ließen u. daraus den Vorteil besserer Umgangsformen zogen. Ihnen brauche ich nicht zu sagen, daß Wagner größer ist als die Linie aller Wagnerianer, nur stand ihm die Diminution nicht zur Verfügung, aus dieser Verlegenheit erwuchs ihm das “Musikdrama” (nicht Musik, nicht Drama), ähnlich wie die gleiche Verlegenheit Gluck zu seiner Renaissance der Antike drängte; Haydn aber, Mozart u. Beethoven, Brahms etc. schrieben zu gleicher Zeit Musik, wie sie es brauchte.
Hoffentlich auf Wiedersehen!
Mit besten Grüßen von uns beiden
Ihr
[ sign’d:] H Schenker
© In the public domain.
© Transcription John Rothgeb 2006.